: Eine einzige Hinein- und Hinausfeierei
■ Dreitägiges Kreuzberger Atelierleichenfleddern mit Musik/ Neue Kulturfabrik in Friedrichshain
Das habt ihr nun davon, Berlinerinnen und Berliner! Und auch ihr Bonner Abgeordnete! Tolle Künstlerfeste mit morbidem Einschlag, nomadisierende Künstler, die ihr Zelt mal hier, mal da aufschlagen, immer zur Freude der Hauptstädter. Denn mit Einheit, Eiern und einzigartiger Hauptstadt stiegen die frei aushandelbaren Mieten für Gewerbe, also auch für Ateliers, um 100 bis 300 Prozent. Im freien Spiel von Angebot und Nachfrage bieten Künstler zu wenig, als daß sie nachgefragt oder ihnen ein Arbeitsraum gar hinterher geworfen würde. Allerdings, Spielverderber sind sie nicht. Neun internationale Künstler machen den Anfang und laden die Bevölkerung ein, die letzten 72 Stunden ihres sterbenden 170-m-Ateliers gemeinsam zu verbringen. Seit heute, 0.01 Uhr, wird unter dem Motto Drei Tage Intensivstation am Kottbusser Damm 79, 1. Hof, Aufgang A geleichenfleddert. Die Bildhauer, Bühnenbildner, Maler und Videoartisten, die seit Mai 1990 an eben diesem Ort ihrer Kunst frönten, rufen zum Leichenschmaus mit Tanz, Musik und Action sowie zur Nachlaßverteilung auf. Im Angebot: vergoldete Pinsel, wertvolle Farbreste. Bis 30. 6., 24 Uhr soll durchgefeiert werden.
Angefeiert wird dagegen ein Projekt namens STILKAMM 5 1/2 am Samstag, dem 29. Juni, ab 11 Uhr in der leerstehenden Fabrik Rigaer Straße 14 in Friedrichshain. »KünstlerInnen, StudentInnen und andere Menschen, die sich im Spannungsfeld von Kunst und Politik bewegen«, schlossen sich nach der Räumung der Mainzer Straße im November 1990 zusammen und organisierten die beiden Mainzer Kunstausstellungen. Die erste fand statt als Kunst-Besetzung eines Hauses in der Thaerstraße in Friedrichshain und endete nach einer Räumungsandrohung gewaltlos, da die GSW Friedrichshain Vertragsverhandlungen für die längerfristige Nutzung eines noch zu benennenden Objekts angeboten hatte.
Die beiden bisher gemachten Angebote lehnte die Gruppe jedoch als für ein Selbsthilfeprojekt ungeeignet ab. Die Fabrik in der Rigaer Straße 14 dagegen »wäre das einzige uns bis jetzt bekannte Objekt, das den Anforderungen des mit der GSW vereinbarten Angebotes entsprechen würde«. Auf der Veranstaltung am Samstag soll das Nutzerkonzept »Im Spannungsfeld von Kunst und Politik — wohnen und arbeiten in der Fabrik« sowie — »unter Mitwirkung von bereits bestehenden Initiativen aus dem Kiez — ein Auszug aus dem Spektrum der kulturellen Möglichkeiten« präsentiert werden. Eine lange Lobby-Liste, von Bärbel Bohley bis Hermann Treusch, von Kulturamt Mitte bis endart, befürwortet Projekt und Veranstaltung von STILKAMM 5 1/2 und fordert die offiziellen Stellen auf, die Realisierung des Projekts zu unterstützen. Doroh
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