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Don't worry, be British

Bei den traditionsreichen All England Championships im berühmtesten Londoner Vorort Wimbledon geht es nicht um Tennis, sondern nur um das eine: den Briten an und für sich  ■ Aus Wimbledon Michaela Schießl

Wimbledon ist in Wirklichkeit kein Londoner Vorort. Wimbledon ist genauso wenig das bedeutendste Tennisturnier der Welt. Damit sollen wir nur getäuscht werden. Wimbledon ist in Wahrheit der gelungene Versuch, alles, was Britischsein bedeutet, in einen zweiwöchigen Schnellkurs für die Weltöffentlichkeit zu packen. Wimbledon ist mithin der Brite an sich. Vermittelt in einem Londoner Vorort anhand eines Tennisturniers.

Der Ort ist nur wichtig, damit die Königlichen unter den Briten keinen allzu weite Anreise in ihre Royal Box auf dem Center Court haben. Ohne königlichen Glanz nämlich ist der Brite nicht zu begreifen. Das Tennisturnier ist wichtig, weil den Briten Tennis herzlich egal ist. Für sie beginnt die Saison am 24. Juni und endet am 7. Juli, dem Endspieltag von Wimbledon. Doch Tennis eignet sich durch seine Struktur und Geschichte bestens zur Britisierung: Ehemals ein Spiel der englischen Upper-Class, voller langwieriger Rituale, umständlich in der Zählweise, kennt es Könige (Schiedsrichter), Herren (Spieler) und Diener (Balljungen), und damit Disziplin und Unterordnung. Es wird von einer Institution, dem altehrwürdigen „All England Lawn Tennis and Croquet Club“, organisiert. Und wichtig — man kann auf Tennisspiele Wetten abschließen.

Sicher, der Brite könnte der Welt auch beim Pferderennen in Ascot zeigen, was es bedeutet, Brite zu sein. Aber so viele Fremde in Ascot? Da rümpft sich des Britens Nase. Nein, Tennis ist das Medium. Zudem kann man Tennis auf Rasen spielen. Nur die königliche Familie ist dem Briten heiliger als sein Rasen. Daß es ein Vermögen kostet, Rasenplätze fünfzig Wochen im Jahr für vierzehn Tage Nutzung zu pflegen, schert den Briten nicht. Schließlich ist auch die königliche Familie ein teurer Spaß.

So steht der Rasen für die schrullige und kompromißlose Liebe der Briten zu auserwählten, mit Vorliebe nutzlosen Dingen. Was zählt, ist Tradition. Zur Tradition gehört neben Erdbeeren mit Sahne das hartnäckige Bestehen des „Master of Lawn“ auf der Rasenhöhe von exakt 4,7625 Millimetern. Blanker Unsinn, man zeige mir die Maschine, die lebendigen Untergrund auf tausendstel Millimeter genau abschneidet. Doch ein Frevler, wer das ausspricht. Von Rasenhöhe zu sprechen ist ohnehin falsch: Der federnde Bewuchs über heimtückischen Beulen oder Löchern erinnert mehr an einen Teppich. Oder einen amerikanischen GI- Kopf gleich nach der Rasur. Doch der Ton, den der Ball beim Aufprall verursacht, ist tatsächlich einzigartig: dumpf, weich, aristokratisch.

Ebenso sein unberechenbarer Absprung. Und tatsächlich fühlt man sich als Zuschauer zumindest in den unteren Adelsstand versetzt, wenn man auf den rustikalen Holzbänken der Nebenplätze Platz nimmt, den Blick über die efeubewachsenen Gebäude auf die Big-Ben-artige Uhr schweifen läßt, um sich dann wieder ganz dem Wettstreit der Spieler zu widmen, die auf gleicher Höhe mit dem Betrachter und in nur drei Meter Entfernung ihrer Arbeit nachgehen.

Traditionell auch die lückenhafte Vermarktung des weltberühmtesten Turniers. Keine profane Bandenwerbung verschandelt die Banden des Center Courts, getrunken wird ein unbekanntes Wasser und gespielt mit den ewig gleichen Bällen. Da mag sich ein Tiriac die Haare raufen, die Organisatoren bleiben unbewegt. Zuviel Promotion ist unfein und entbehrt jeglichen Understatements. Auch muß die Kleidung der Spieler zu mindestens zwei Dritteln weiß sein, sonst dürfen sie — sorry — abreisen. Ein Diktat, dem sich nach mehreren Trotzjahren selbst Buntspecht André Agassi unterwirft.

Allgegenwärtig die grün-lila-gewandet Aufpasser, die die Fußgänger-Einbahnstraßen auf Falschgeher kontrollieren und unbestechlich die Zugänge bewachen. Merke: Eintritt zum Center Court wird nur dem gewährt, der schon seit mehreren Jahrzehnten immer Eintritt fand. Gegen den Dünkel vom Wimbledon Lawn Club ist der Rotary Club ein Berbertreffen.

Nur mit dem Zeitplan müssen sich Wimbledons Macher immer wieder neu arrangieren. Nicht etwa wegen Fernsehübertragungszeiten. In Wimbledon beugt man sich nur der Etikette — oder eben dem Wetter. Doch so sehr die Briten die Verzögerung bedauern, so hat man sie doch im Verdacht, den Regen zu lieben. Denn auf diese Weise wird aus dem friedlichen Spiel eine Art Geländeprüfung — eine weitere Vorliebe der Briten, zumindest zu Pferde. Vielleicht haben sie deshalb den für Tennis ungeeignetsten Untergrund Rasen gewählt — für Wimbledon der einzig mögliche.

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