piwik no script img

Kniekehlenkosend

■ Peter Hiller mit Männerliedern im BKA

Das Sujet ist vielgequält, das Genre längst diskreditiert. Und dennoch zieht Peter Hiller mit musikkabarettistischen Vorträgen, die sich der»unheimlichen Begegnung der Männer mit ihrer Art« verschrieben haben, durch gesamtdeutsche Lande. Von der 'Frankfurter Rundschau‘ als »mimischer Tausendsassa«, von der 'FAZ‘ als »pfiffiger Entertainer« geschmäht, widmet sich der gebürtige DDR-Mann jedoch weniger dem eigenen Geschlecht an sich als der Konfektion männlicher Identifikationsangebote im deutschen Liedgut.

Mit Grönemeyer/Mey/Lindenberg-Parodien kratzt er an der schon angegriffenen Politur der Volkssänger und am Selbstverständnis ihrer Fangemeinde. Einfühlsam nähert er sich ihren Schwächen in Dialekt und Körpersprache, um das Gruseln zu lehren, wenn sie narzißtisch bekennen, was sie sind (»I' bin was i' bin, drum sing i' im Dialekt, laß mi' in Münch'n net lynchn, in Wian net beknian...), und populär reicht er Wunderkerzen zum Mitschwenken zur hymnischen Ohrenbeichte der gealterten Jugend (»Ich hab Dill in den Augen, Dill-in-den Haarn...«).

Das Mikrofon kniekehlenkosend, den Hut in die Stirn gezogen, verwandelt sich der unscheinbare Hiller zum Seelen- und Milzmasseur Lindenberg, durch den die Erlösungssehnsucht seiner Fans zu Wort kommt: »Uuuudo, wann kommst du ...« Grönemeyer wird dank Hiller als klappriges Nervenbündel entmystifiziert, der hinter seiner Identitätskrise in der Mangelmannschaft schon verschwunden ist: »Mach uns anders, Herbert«, ruft sein Klientel aus ihm heraus, »mach uns geschwind zu Frauen ohne Brust.« Denn Frauen können außen so weich sein und innen so hart, verzehrt sich der wahre Herbert.

Hiller zur Gitarren-Saite sitzt ein gemütlich wirkender bärtiger Mann namens Franz Bartels, der wenig aber Gewichtiges sagt. Während Hiller entschuldigende Gesten zum Publikum macht oder sich vor Häme krümmt, trägt Bartels in der Müller- Pose bedeutende Banalgedichte, natürlich nicht-reimend, vor. Auch Peter Hillers literarische Einlagen schenken der Freundin kultischer Lesungen sinnstiftende Minuten, Trost und Erbauung in schweren Zeiten. So stellt sich selbst ein Bauernsohn im Märchen bisweilen als Versager heraus, wenn er die Lösung der Rätsel nicht findet, die ihn berechtigte, der Prinzessin einen Teil seines Vermögens und den jüngsten Bruder zum Heiraten zu geben.

In einer »Erzääählung« ist die Notwendigkeit des Umtopfens von Alpenveilchen schicksalshafter Wendepunkt im Leben der Hauptperson. Ob nun dahinter wirklich »Bezüge zum radikalen Umdenken in der DDR« ('FAZ‘) sich geschickt verbergen oder aber die westdeutschen Enthüllungserfüllungsgehilfen hier der ostdeutschen Meta-Metapher- Physik auf den Leim gegangen sind, kann von hier aus nicht entschieden werden. Es spricht aber für die Stil- Spiel-Kunst der Hiller-Bartels-Seilschaft. Dorothee Hackenberg

Die unheimliche Begegnung der Männer mit ihrer Art bis 8.Juli, Mi-Mo 20.30 Uhr im BKA.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen