: Knast für Rathausbesetzung?
■ Anklage verschärft / Fünfter Befangenheitsantrag im Mammutprozeß
In dem seit Ende Februar andauernden Mammutprozesses um die Rathausbesetzung von 1989 hatte Amtsrichter Klaus Richter gestern einen Knalleffekt auf Lager. Während dem Ex-Besetzer Jacob N. bisher „nur“ Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Hausfriedensbruch vorgeworfen wurde, erklärte der Richter gestern, auch eine Verurteilung wegen Widerstandes in einem besonders schweren Fall und versuchter gefährlicher Körperverletzung zu erwägen.
Jacob N. ist vor dem Amtsgericht Bremen angeklagt, weil er 1989 als Solidaritätsaktion für die hungerstreikenden RAF-Gefangenen an der Besetzung der oberen Rathaushalle teilgenommen hatte.
Jacob N.s Verteidiger Eberhard Schultz konnte kaum fassen, was ihm da geboten wurde. „Warum fällt Ihnen das erst am 14. Verhandlungstag ein?“ fragte er den Amtsrichter Klaus Richter, nachdem der die Verschärfung der Anklage begründet hatte. Der Richter konterte, er habe sich erst die Plädoyers anhören müssen, bevor er sich eine Meinung habe bilden können.
Amtsrichter Klaus Richter geht mit seinen Erwägungen noch über das Plädoyer von Oberstaatsanwalt Hans-Georg von Bock und Polach hinaus, der wegen Widerstandes und Hausfriedensbruch eine Geldstrafe von 1.980 Mark gefordert hatte. Verteidiger Schultz hatte auf Freispruch plädiert. Falls Richter Richter bei seiner Linie bleibt, droht Jacob N. eine Gefängnisstrafe von mindestens sechs Monaten, die aber auch zur Bewährung ausgesetzt werden kann.
Der Amtsrichter erklärte, daß Jacob N. möglicherweise eine Schraubzwinge als „Waffe“ benutzt und auf einen Polizisten geworfen habe. Nach Meinung von Verteidiger Schultz dagegen hat die Beweisaufnahme nichts dergleichen ergeben. Selbst ein Polizeizeuge habe während der Verhandlung ausgesagt, daß Jacob N. die Schraubzwinge nur fallen ließ. Die genauen Umstände seien völlig ungeklärt, so Eberhard Schultz.
Als Reaktion auf die mögliche Verschärfung des Urteils stellte der Verteidiger seinen fünften Befangenheitsantrag gegen Richter Richter innerhalb dieses Verfahrens. So kam das Karussell aus Anträgen der Verteidigung und Ablehnungen durch den Vorsitzenden wieder in Schwung.
Das Amtsgericht lehnte den Befangenheitsantrag gegen Klaus Richter ab. Danach beantragte Eberhard Schultz, angesichts der möglicherweise hohen Starfe als Pflichtverteidiger eingesetzt zu werden. Vorteil für seinen Mandanten: Die Anwaltskosten bezahlt die Staatskasse. Aber auch dieser Antrag wurde abgelehnt. och
Am Donnerstag, den 4. Juli, 12.00 Uhr, wird Richter Richter erneut versuchen, das Urteil zu sprechen. Amtsgericht, Raum 351.
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