piwik no script img

Antrag abgelehnt — Mißtrauen bleibt

■ Mißtrauensvotum gegen Finanzsenator Pieroth gescheitert/ SPD und Bündnis 90/Grüne fordern mehr Mitbestimmung bei Grundstücksgeschäften/ Auch Berliner Güter in Brandenburg werden verhökert

Berlin. Mit einer Mehrheit von 161 Stimmen hat gestern das Abgeordnetenhaus in einer Sondersitzung einen Mißtrauensantrag des Bündnis 90/ Grüne gegen Finanzsenator Elmar Pieroth abgelehnt. Für den Antrag stimmten lediglich 38 Parlamentarier des Bündnis 90/Grüne und der PDS, die Abgeordneten der FDP enthielten sich der Stimme. Für einen Beschluß wären die Stimmen von 121 Abgeordneten erforderlich gewesen. Die Grünen hatten das Mißtrauensvotum mit dem umstrittenen Verkauf des Esplanade-Dreiecks am Potsdamer Platz an den japanischen Konzern Sony begründet.

Das landeseigene Grundstück war letzten Mittwoch für 3.240,- DM/m2 veräußert worden. Sprecher aller Fraktionen hatten sowohl den niedrigen Preis als auch das Verfahren kritisiert. Das Geschäft war dem Abgeordnetenhaus nicht zur Beratung vorgelegt worden, denn Finanzsenator Pieroth hatte sich eine Ausnahmeregelung der Landeshaushaltsordnung zunutze gemacht, wonach Grundstücksverkäufe nicht der Zustimmung des Parlaments bedürfen, wenn sie der Ansiedlung von Industrie und Gewerbe dienen.

Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Grüne forderten gestern eine Änderung der Landeshaushaltsordnung, um zu gewährleisten, daß zukünftig bei Vertragsabschlüssen einer bestimmten finanziellen Größenordnung auf jeden Fall der Vermögensausschuß des Parlaments anzuhören ist.

Während jedoch das Bündnis 90/ Grüne alle Geschäfte, die ein Volumen von 10 Millionen Manrk überschreiten, von der Genehmigung des Parlaments abhängig machen will, soll nach Ansicht der SPD dafür ein differenzierter Kriterienkatalog erarbeitet werden. Der Sprecher der SPD-Fraktion, Hans-Peter Stadtmüller, geht davon aus, daß es unwahrscheinlich ist, daß Finazsenator Pieroth »bis dahin, eine Sony vergleichbare Sache über die Bühne zieht«.

Die Regierungsparteien lehnten es gestern ab, den Finanzsenator in der parlamentarischen Sommerpause zur Vorlage von Grundstücksverkäufen zu verpflichten. Ein entsprechender Antrag war vom Bündnis 90/Grüne im Vermögensausschuß eingebracht worden.

Der Sprecher der Finanzverwaltung, Thomas Butz, hatte bereits zuvor gegenüber der taz erklärt, daß es von Seiten des Finanzsenators keine diesbezügliche feste Zusage geben werde.

Vertreter von Bündnis 90/Grüne kritisierten zudem die Veräußerung von Berliner Stadtgütern im Land Brandenburg. Der Finanzsenator hatte letzte Woche 7,5 ha landeseigenen Bodens im Kreis Bernau an eine Ziegelei verkauft. Wie Butz erklärte, stünden noch weitere Stadtgüter zum Verkauf an, da bei den betroffenen Gemeinden eine große Nachfrage nach Gewerbenansiedlungen bestehe.

Die Forderung von Bündnis 90/ Grüne, Grundstücke zu tauschen statt zu verkaufen, um auch zukünftig eine Strukturpolitik zu ermöglichen, wurde von Butz als unrealistisch zurückgewiesen. Es sei zwar richtig, daß man zu einem Konzept für die Stadtgüter kommen müsse, ein Tausch würde dem Land jedoch eher Kosten als Einnahmen verursachen. Dr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen