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Blockflöte Gies soll zurücktreten

■ Rücktrittsforderung gegen den Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt/ Der CDU-Politiker stolperte von einer Affäre in die andere/ Wie erhielt Gies sein Landtagsmandat?/ Jetzt zweifelt auch Kohl

Berlin (taz) — Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Gerd Gies (CDU), soll zurücktreten. Auch innerhalb der CDU will man ihn jetzt absägen. Der Magdeburger CDU- Abgeordnete Koch sprach gestern Klartext: Angesichts des Vorgehens von Gies sehe er nur zwei Lösungen für den Ministerpräsidenten: Rücktritt oder konstruktives Mißtrauensvotum. Koch gehört zu den Abgeordneten, die Gies vergeblich mit Hilfe dubioser Stasi-Vorwürfe zum Rücktritt bewegen wollten, um selbst ins Parlament zu kommen. „Ich ziehe das jetzt durch“, erklärte Koch, der auch Vorsitzender des Justizausschusses im Magdeburger Landtag ist. Mit den Abgeordneten Gerhard Mitschke und Gunther Schmidt habe er feste Verbündete in der Fraktion. Außerdem gebe es weitere CDU-Politiker, die nur darauf gewartet hätten, daß „jemand das erste Wort sagt“. Koch äußerte die Hoffnung, daß der Vorgang an diesem Donnerstag im Landtag eine Rolle spielen werde.

Gestern vormittag hatte auch der CDU-Vorsitzende, Bundeskanzler Helmut Kohl, den Regierungschef von Sachsen-Anhalt aufgefordert, zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen.

Drei Affären hatte die ehemalige „CDU-Blockflöte“ bisher überstehen können. Jetzt droht Gies (48) über sein eigenes Landtagsmandat zu stolpern. Ein solches hatte er bei den Landtagswahlen im Oktober 1990 verpaßt, weil er zwar auf Platz eins der Liste stand, aber nicht über ein Direktmandat verfügte. Das aber war zum Einzug ins Magdeburger Parlament vonnöten, weil bei der CDU dank des überragenden Wahlsiegs nur Direktkandidaten in die Volksvertretung einrücken konnten.

Gies, seit 1970 Mitglied der Ost- CDU, versuchte daraufhin, gewählte CDU-Abgeordnete zum Rücktritt zu bewegen. Ausgestattet mit dubiosen Informationen über eine angebliche Stasi-Mitarbeit, drängte er mit inquisitorischen Befragungen eine ganze Reihe von Kollegen zum Mandatsverzicht. Woher seine Stasi-Informationen kamen — einige davon waren offensichtlich falsch — blieb im dunkeln, ebenfalls, ob er sie rechtmäßig erhielt. Jedenfalls gelang es Gies, drei CDU-Parlamentarier zum Rücktritt zu bewegen — der Weg ins Parlament war für ihn und seinen Kumpel Wolfgang Braun (jetzt Innenminister) frei. Die gegnerische Fraktion, die Halle zum Landtagssitz machen wollte, mußte draußen bleiben.

Schon zuvor war Gies ins Gerede gekommen. Zunächst nahm man an seiner langjährigen Mitgliedschaft in der Ost-CDU Anstoß. Als Kreisvorsitzender der „Blockflötenpartei“ hatte er noch im Mai 1989 bei den später manipulierten Kommunalwahlen dazu aufgerufen, „für die Friedenspolitik der DDR“ zu stimmen — „aus christlicher Verantwortung“. Kaum war Gies Ministerpräsident, fiel dem 'Spiegel‘ sein Innenminister Braun auf: Über den existierte bei der Stasi eine Karteikarte, die ihn als „Inoffiziellen Mitarbeiter“ (Deckname „Becker“) auswies. Becker/Braun zog Gies denn auch gleich in die nächste Affäre, als er einen umstrittenen hessischen Privatdetektiv zum Oberrat der Kripo Magdeburg machte. Der wiederum, so die Vermutung, könnte dabei hilfreich gewesen sein, CDU-Abgeordnete mit Stasi-Vergangenheit ausfindig zu machen, um Gies und Braun die ersehnten Parlamentssitze zu sichern.

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