Adass Jisroel immer vitaler

■ Neue Trauerhalle eingeweiht/ Oberrabbiner Lau aus Tel Aviv würdigte Traditionstreue/ »Shorashim«-Konferenz/ Jüdisches Café eröffnet

Weißensee. Die zweite jüdische Gemeinde Berlins, die orthodoxe Adass Jisroel, stellt sich der Öffentlichkeit als eine sehr vitale Gemeinschaft dar. Schritt für Schritt konstituiert sie, die bis heute noch nicht im Westteil der Stadt als Körperschaft des öffentliches Rechtes anerkannt ist, ihr Gemeindeleben. Sie halten durch Ausstellungen zur Geschichte von Adass Jisroel und durch Pflege des Friedhofs in Weißensee die Erinnerung an die einst berühmte Gemeinde wach und bemühen sich gleichzeitig darum, religiöses und kulturelles jüdisches Leben in der Stadt lebendig werden zu lassen.

Der gestrige Tag war für Adass Jisroel so eine »Brücke« zwischen gestern und morgen. So sagte es jedenfalls der Oberrabbiner Lau aus Tel Aviv anläßlich der Feierlichkeiten zur Eröffnung der neuen Trauerhalle (Beth Lewajoth) auf dem Friedhof in der Wittlicher Straße. Durch die Wiederherstellung dieser Halle und die Gründung der Chewra Kadischa, der Beerdigungsbrüderschaft, ist es Adass Jisroel nach 50 Jahren Unterbrechung wieder möglich, die rituell und religionsgesetzlich vorgeschriebenen jüdischen Bestattungen vorzunehmen.

Der 2. Juli war für die Einweihungszeremonie nicht zufällig gewählt. Genau vor fünf Jahren endeten die Rekonstruktionsarbeiten auf diesem Friedhof, eine Rettungsaktion buchstäblich in letzter Minute. Ohne die Freiwilligenarbeit junger Leute und ohne die Energie des heutigen Sprechers von Adass, Mario Offenberg, wäre er zerstört und zerstückelt worden.

In den siebziger Jahren wurde er von der betreuenden Jüdischen Gemeinde von Ost-Berlin formell zwar geschlossen, praktisch aber der systematischen Verwahrlosung anheim gegeben. Jugendliche rissen Grabsteine heraus, zerstörten Inschriften, Metalltafeln wurden gestohlen und auf den Gräbern nächtliche Feste gefeiert. 1984 verkaufte die Jüdische Gemeinde von Ost-Berlin für 28.000 Mark die Hälfte des Friedhofs an die Stasi und ließ den verkauften Teil durch eine Mauer von den restlichen Grabstätten abgrenzen. Als die Rekonstruktionsarbeiten 1985 begannen, standen von den knapp 3.000 Grabsteinen gerade noch 619. Nur durch Intervention des Oberrabbinates in Jerusalem gelang es, die bereits verkauften Teile des Friedhofs zurückzubekommen. Heute präsentiert er sich gepflegt und würdig.

An der Einweihungszeremonie in Weißensee nahmen rabbinische Würdenträger und Gemeindevertreter aus Israel und verschiedenen osteuropäischen Ländern teil. Gestern abend begann im Gemeindezentrum die zweite Berliner Konferenz des Verbandes »Shorashim« (Wurzeln). Der im Frühling gegründete Verband setzt sich für eine Verbesserung der Lage der Juden in Osteuropa ein.

Eine »Brücke« zur Gegenwart sei, sagte Oberrabbiner Lau, auch das gestern von Adass eröffnete jüdische Kaffeehaus »Beth Café« in der Tucholskystraße. »Locker, beschwingt und kosher« will das Café, jeden Sonntag bis Donnerstag täglich ab 13 Uhr offen, für all jene sein, die »ihre Freizeit kulturell und kulinarisch angenehm verbringen« möchten. aku