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Schalcks „rechte Hand“ schob Millionen

■ Geschäftsführer der F. C. Gerlach in Ost-Berlin arbeitete erfolgreich für die Komerzielle Koordinierung

Berlin (taz) — Mit dem Beiseiteschaffen von Millionen aus Alexander Schalck-Golodkowskis Schieberreich hatte der Mann reichlich Erfahrung: Ende 1989, so recherchierten später Finanzrevisoren des damaligen Noch-DDR-Finanzministeriums, überbrachte Mischa Wischnewski seinem Boß Schalck-Golodkowski 17 Millionen D-Mark cash „gegen formlose Quittung“. Der Verbleib des Geldes ist bis heute nicht vollständig geklärt. Wischnewski fungierte über Jahrzehnte als Geschäftsführer der Firma F. C. Gerlach.

Die Firma galt westlichen Geheimdiensten als Kernzelle des Schalckschen Schattenreiches Kommerzielle Korrdinierung (KoKo), Firmenboß „Mischa“ als einer der engsten Mitarbeiter Schalcks. Im Dezember 1990 soll Wischnewski, nach wie vor als Geschäftsführer der KoKo-Firma F. C. Gerlach, 16 Millionen US-Dollar und noch mal 15,1Millionen D-Mark auf private Konten geschaufelt haben. Die Transfers waren illegal, denn schon seit März 1990 stand die Firma als Teil des KoKo-Bereiches unter treuhänderischer Verwaltung der Treuhand, ohne deren Genehmigung Wischnewski keinen Pfennig hätte überweisen dürfen. Vor rund sechs Wochen stand die Kripo vor dem Firmensitz der F. C. Gerlach in der Ostberliner Parkstraße auf der Matte und kassierte rund 600 Aktenordner ein. Deren Inhalt genügte dem Staatsanwalt beim Berliner Landgericht offenbar zur Beantragung eines Haftbefehles. Am Montag wurde Wischnewski festgenommen, am Dienstag dem Haftrichter vorgeführt. Wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr sitzt der Schalck-Spezi jetzt in U-Haft.

Schon in den 50er und 60er Jahren füllte Mischa Wischnewski alias Hersz Liebermann westdeutsche Justiz-Aktenordner. Beim Generalbundesanwalt waren mehrere Verfahren anhängig. Die Vorwürfe reichten von Mordaufträgen über Schmuggel von Embargogütern und Nato-Waffen bis zu geheimdienstlicher Tätigkeit. 1953 saß Wischnewski in Moabit wegen Münzfälscherei, wurde von befreundeten Ganoven befreit und setzte sich in den Osten ab. Dort legte er mit seinen Kumpanen die Fundamente des späteren KoKo-Imperiums. Direkt nach dem Krieg hatte sich der ehemalige KZ-Häftling einem Berliner Schieberring namens „Die Starken“ angeschlossen, der sich aus meist staatenlosen befreiten KZ-Häftlingen ohne Arbeit und festen Wohnsitz rekrutierte, einem Personenkreis, der von der damaligen Militärregierung als „displaced persons“ geführt wurde. Über Wischnewskis Firma F. C. Gerlach liefen nicht nur Geheimdienst- und Embargogeschäfte, sondern auch ein Großteil jener millionenschweren deutsch-deutschen Schlachtviehgeschäfte mit bayerischen Firmen. Thomas Scheuer

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