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Jugoslawiens Armee führt Krieg gegen Slowenien

■ Tote und Verletzte bei Kämpfen/ Dringlichkeitssitzung des Staatspräsidiums/ Verliert die politische Führung die Kontrolle über die Armee?

Berlin (taz) — Die Hoffnungen auf eine rasche politische Lösung in Jugoslawien sind zerstört: In ganz Slowenien wird seit gestern nacht wieder gekämpft. Bomben zerstörten Sendemasten des Rundfunks in Ljubljana. In der Nähe des Atomkraftwerkes Krsko gingen über 20 Panzer in Flammen auf, eine Militärkolonne wurde von Kroatien aus in Richtung der slowenischen Hauptstadt Ljubljana in Marsch gesetzt. Bei den Gefechten starben mehrere Soldaten. Angesichts dieser Entwicklung verzichtete der jugoslawische Präsident Mesic auf eine Vermittlungsreise nach Ljubljana und rief stattdessen eine Sitzung des Staatspräsidiums ein, auf der Verteidigungsminister Kadic einen Bericht vorlegen sollte. Auch Regierungschef Ante Markovic, der Parlamentspräsident sowie die Außen-, Verteidigungs- und Innenminister wurden dazu eingeladen. Kroatien will durch die Vermittlung eines „befreundeten Landes“ eine Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrates einberufen lassen.

Zu den neuen militärischen Auseinandersetzungen war es ungeachtet der den EG-Außenministern zugesagten Feuerpause gekommen. Das Belgrader Verteidigungsministerium beschuldigte Slowenien, den vereinbarten Rückzug zu verhindern. Die Armeeführung hatte schon in der Nacht von „Terrorakten“ gegen die Streitkräfte gesprochen. Die jugoslawischen Militärs behaupteten, sie folgten dem Auftrag des Parlaments und der Zentralregierung. Gerüchte, die Armee handle auf eigene Faust, wurden zurückgewiesen. In Slowenien und in Kroatien wird dagegen immer mehr angezweifelt, daß es noch eine politische Kontrolle der Streitkräfte gibt. Die slowenischen Behörden schlugen vor, die in Slowenien festsitzenden Panzer der Bundesstreitkräfte mit Zügen oder anderen Transportfahrzeugen in die Kasernen zurückzubringen.

Bundesaußenminister Genscher, unterwegs zur KSZE-Vermittlung, konnte wegen der Kämpfe nicht in Slowenien, sondern im österreichischen Villach mit dem slowenischen Präsidenten Kucan verhandeln. Konkrete Ergebnisse erzielte er dort nicht. Ebenso wie der SPD-Vorsitzende Börn Engholm sprachen sich auch der Bundesvorstand der Grünen für die Anerkennung der Unabhängigkeit Kroatiens und Sloweniens aus. FDP-Chef Lambsdorff sagte, daß die Kämpfe nicht nur mit der Rückkehr der Soldaten in die Kasernen beendet werden könnten. SEITE 3

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