: Frauenbeauftragte — ja, aber
■ Gleichstellerinnen im öffentlichen Dienst berichten von ersten Erfahrungen
Gleich am ersten Tag nach ihrem Urlaub hatte Ursula Kerstein die „Pionierinnen“ im Ansgaritorsaal zusammengerufen. Fast 60 der ersten Frauenbeauftragten, die nach Inkrafttreten des Landesgleichstellungsgesetzes im Öffentlichen Dienst und der sogenannten „staatsmittelbaren Verwaltung“ im Mai dieses Jahres gewählt worden waren, folgten ihrer Einladung.
„Sehr viel Energie, Mut und Freude“ wünschte die Gleichstellungsbeauftrage Kerstein den Frauen. Auf „schwierige Situationen“ sprach sie die Frauen an, und daß sie dann hoffentlich „Unterstützung von ihren Wählerinnen“ erfahren werden. Denn: „Die Existenz des Frauen- Gleichstellungs-Gesetzes allein verändert nicht die Wirklichkeit“, hatte Kerstein in ihrer langen Rede erkannt.
Doch was ihr die Pionierinnen auf dem Weg zur Umsetzung des neuen Gesetzes wenig später als „erste Erfahrungen“ präsentierten, das ließ die Leiterin der „Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau“ dann doch heftig zusammenzucken: „Darf ich bei Sitzungen des Personalrates herausgeschickt werden, wenn Abstimmungen durchgeführt werden? Und habe ich ein Recht darauf, die Protokolle der Sitzungen zu bekommen?“, fragte die Frauenbeauftragte der Hochschule. Denn sonst müsse geheime Abstimmung eingeführt werden, habe sie erfahren müssen.
Gilt Gleitzeit auch für Teilzeitkräfte? „Natürlich, das regelt doch die Betriebsvereinbarung.“ Die beiden SKP-VertreterInnen trauten ihren Ohren kaum, welche Mißstände sich hinter solchen Fragen verbergen könnten. Noch ungläubiger wurde das Kopfschütteln jedoch, als die Frauenbeauftragten der Angestelltenkammer aus ihrem Alltag erzählten. Demzufolge will die Dienststellenleitung KollegInnen umsetzen (wegen Umbauarbeiten) und die Betroffenen zu einem Gespräch laden, ohne Personalrat und Frauenbeauftragte informiert zu haben. Auch an Freistellungen und Umorganisation der Arbeit, wie sie die zusätzlichen Anforderungen an die Frauenbeauftragten tagtäglich erfordern, sei in der Kammer kaum zu denken. Und das, obwohl die Angestelltenkammer die Fortbildung der Frauenbeauftragten (auch zur personalpolitischen Umsetzung von Frauenförderplänen) zentral übernommen hat.
„Wo will die Gleichstellungsstelle ansetzen, um Freistellung durchzusetzen?“ fragten die Frauen. Doch Frau Kerstein mußte passen: Den Druck müßten die Frauen schon selbst erzeugen. ra
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