PRESS-SCHLAG
: Das schwäbische Duo

■ Weitspringer Dietmar Haaf und sein Trainer Alfred Rapp

Weitsprung, schlicht übersetzt, heißt möglichst schnell anlaufen und springen. Welches verwickelte Geheimnis sollte schon hinter dieser Disziplin stecken? Alfred Rapp, Trainer von Dietmar Haaf, der beim Europacupfinale in Frankfurt den Weitsprung mit windbegünstigten 8,30 Metern gewann, kann da nur milde lächeln und beginnt mit einem längeren Vortrag über die richtige Fußstellung beim Absprung: „Es hat lange gedauert, bis Dietmar beim Absprung über den ganzen Fuß abrollte und minimale, aber entscheidende Bremswirkungen durch seine Fußstellung korrigierte.“

Auch die Anlauf- und Flugphase wurde mit wissenschaftlicher Akribie optimiert. „Mit einer Seilkonstruktion und einem Flaschenzug haben wir die Auswirkungen höherer Anlaufgeschwindigkeiten beim Absprung getestet“, erläutert der ehemalige Werkzeugmacher Rapp, der Dietmar Haaf mit 15 Jahren bei einer Talentsichtung entdeckte. „Er konnte nur schnell abspringen, erreichte gerade mal 5,80 Meter, sonst war ich gar nicht so beeindruckt.“

Das „Hemd“, 1,73 Meter groß und 63 Kilo schwer, aus Stuttgart- Bad Cannstadt entwickelte jedoch von Anfang an einen enormen Ehrgeiz und steigerte sich kontinuierlich. 1983, als 16jähriger, übersprang er erstmals die Siebenmetermarke. Sein erster großer Sieg folgte drei Jahre später als Juniorenweltmeister (7,97) in Athen. 1989 wurde er Vizeweltmeister in der Halle, im letzten Jahr in Split Europameister und Anfang März in Sevilla Hallenweltmeister. „Natürlich bin ich über die Jahre hinweg selbstsicherer geworden. Meinen Trainer brauche ich jedoch immer noch als ständigen Kontrolleur meiner Fehler, insbesondere bei Wettkämpfen“, meint der jetzt 24jährige Maschinenbaustudent.

Das nächste Ziel des schwäbischen Duos ist eine Medaille bei der WM in Tokio. Dietmar Haaf selbstbewußt: „8,40 Meter müßten für eine Medaille reichen. Das schaffe ich mit meinen nicht so günstigen körperlichen Voraussetzungen bei optimalen Bedingungen, ohne Doping.“ Selbst einen Carl Lewis sieht Dietmar Haaf, der im Vergleich zu diesem nur eine schwache 100-Meter-Bestzeit von 10,76 aufweist, aber mit einer Anlaufgeschwindigkeit von 10,6 Metern pro Sekunde zu den allerbesten der Branche zählt, nicht außer Reichweite: „Ich hätte ihn 1989 beinahe schon mal in der Halle geschlagen.“

Dietmar Haaf, der in Split, „auch zum geistigen Ausgleich“, noch hundert Seiten täglich gebüffelt hat, tritt mit seinem Studium in diesem Jahr etwas kürzer, weil die Doppelbelastung während der Vorbereitung auf die WM und die Olympischen Spiele 1992 zu groß gewesen wäre. „Ich bin jetzt im achten Semester, aber faktisch ein, zwei Semester zurück“, erläutert er und erzählt spürbar fasziniert von seiner aktuellen Hausarbeit über den Bereich Solarenergie. Karl-Wilhelm Götte