: "Wenn ich Europa sage, spreche ich von meinen Träumen"
Für meine Eltern hieß die Hoffnung einfach „China“. Wir Jungen mochten China nicht, weil unsere Eltern uns immer versprachen, daß von dort alle Gute kommt, das dann aber nie gekommen ist.
Für uns Jüngere hatte die Zukunft auch einen Namen: Europa. Nun sind wir mit dem Floß über das Meer gekommen, doch das Europa, das wir finden, ist auch nicht besser als das China, von dem unsere Eltern träumten. Europa kannten wir vom Fernsehen, dem italienischen vor allem. Am besten haben wir begriffen, was die Werbung zeigte, denn die Filme verstanden wir sprachlich damals noch kaum. In der Werbung war alles zu sehen, was unsere Eltern von China versprochen hatten: gutgenährte Menschen, Essen, Trinken, Autos, moderne Maschinen. So wurde Italien für uns Europa, und Europa wurde die Zukunft.
Nun sind wir da und schrauben seitdem alle Hoffnungen immer weiter runter: zuerst die Hoffnung, daß die Italiener alle so freundlich sind wie im Fernsehen. Dann, daß wir hier die Dinge bekämen, die wir im Fernsehen sahen. Dann, daß wir sie in absehbarer Zeit erwerben könnten. Dann, daß wir überhaupt Arbeit bekommen. Und nun zerfließt angesichts der Abschiebedrohungen auch noch die Hoffnung, daß wir überhaupt hierbleiben können. Europa ist für uns ein Stück Papier geworden: die Aufenthaltsgenehmigung in Italien. Dragan Butor (16)
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