:
■ All you need is eine Party!
Liebe ist immer auch eine Erinnerung. An den frostigen Februar von 1988 in London, an das Busby's in der Tottenham Court Road. Wo man nur mit Mühe, sauberer Unterwäsche und für viel Geld am Türsteher vorbei des montags mit der first house nation Englands feiern durfte. Champagner, Hasch und viel BumBum. Es war die fröhlichste Zeit der Jacker, jeder Song ein guter Jack, ein Beine-auf-und-ab, Arme-in-die-Höhe, Hüftenvorstöße-üben. Fitnesstraining für die Darmtrakte einer gay community, die den Sommer kaum abwarten konnte. Im Sommer tanzten sie dann wirklich zum ersten Mal alle, auch in Berlin — AcidHouse.
Liebe ist auch eine Erneuerung. Die Berliner Tanzgemeinde verspricht sich mit der dritten »Love Parade« die Treue unter dem Motte: »My house is your house is mine.« Von DJ Motte, dem Mun der Meute, initiiert, marschierten 1989 bei der ersten Parade ca. 150 Berlin Hardcore clubber, 1990 waren es schon 2000, und in diesem Jahr ist mit einem bundesweiten Ereignis zu rechnen, denn DJ's aus Frankfurt und Köln werden mit ihren Partyposses ebenfalls dabei sein. Zudem ist die Zahl der Clubs und Cracks am Plattenteller seit dem Riß des Hymens zwischen Ost und West babyboomend gestiegen. Neben Altbewährtem aus dem Hause WestBam werden Rokki (Tresor) für mehr als »7 ways to love« sorgen und Tanith, der Tekknozid-Exzentriker, mit Tiefenbässen solange an der Schädeldecke rütteln, bis der neurale Exitus die Tanzbeine verselbständigt. Die Frankfurter werden ebenfalls beinharten Techno beisteuern, und so bleibt es den Kölner DJ's Mate Galic und Roland Casper überlassen, die abertausend Passagiere wirklich sicher ins All zu spinnen. Zu Beginn mit der »First Love Party«, Freitag ab 22 Uhr in der Halle, an der Industriebahn in Weißensee. Dort treten neben den bekannten DJ's zudem Live-Acts auf: The Hypnotist aus London und das Bash Commando aus Berlin, bei dem Tanith, gemeinsam mit den Musikern von Loopzone, Technotanzutopien zwischen DJ und Band austauschen wird. Anschließend findet die eigentliche Love Parade Samstag um 17 Uhr am Kurfürstendamm zwischen Wittenberg- und Adenauerplatz statt.
Mit acht Umzugswagen — »Freudenmobilen« — die von Clubs und Modemachern heliotrop geschmückt und mit allem möglichen Tekkno bestückt wurden, um der Welt da draußen mal zu zeigen, wie es da drinnen aussieht, aus den Kellern der Liebe ans Licht der Welt. Eine Demonstration von Love, Peace & Unity, ein bißchen von Philip Morris (Natürlich der deutschen Niederlassung) gesponsored. Erst danach beginnt die Orgie pur, die true love party, um 21 Uhr, wieder in Weißensee mit einem Gigaaufgebot an Laserlichtern, Videoatmophären, Hyperdelia und Musik, bis es am Ende sonntags um 7 Uhr früh im Tresor heißt: After the love. Bei Boy George heißt es dann weiter »How ca we carry on?«, getreu dem Baudrillard-Witz »Und was machen wir zwei nach der Orgie?« — Liebe, was sonst.
Liebe kann also sehr anstrengend sein, besonders wenn man es 36 Stunden lang mit ein paar Tausend treiben soll, aber wem das zu bunt wird, der kann sich per Video mit einem netten '74-Goa-Hippie-Soft-Porno eindecken: »Body Love«, kopulierende Langhaarige in Batiktüchern, Musik von Klaus Schulze, zwar nicht ganz House, aber sehr auf Lovewellenlänge. Harald Fricke/Zeichnung: Bettina Allamoda
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen