piwik no script img

Krisenmanagement in Österreich

■ Österreich erwägt Anerkennung Sloweniens und Kroatiens/ Italien will Treffen der jugoslawischen Nachbarländer

Wien/Berlin (taz) — Drei Armeen stehen sich in dem Hochgebirge der Karawanken Auge in Auge gegenüber. Doch während sich jugoslawische Bundesarmee und slowenische Bürgerwehr heftige Kämpfe liefern, verharren die rund 5.000 Soldaten, die Österreich in seine südöstlichen Bundesländer Kärnten, Steiermark und Burgenland geschickt hat, in Abwarteposition. Bereits am vergangenen Freitag hat Bundeskanzler Franz Vranitzky den „Neutralitätsfall“ festgestellt und das Bundesheer erstmals seit der Ungarn-Krise 1956 in den „Krisenfall 1. Stufe“ versetzt, aber geschossen wird vorerst nur jenseits der Grenze. Selbst als jugoslawische MiGs bis zu fünf Kilometer tief in den österreichischen Luftraum vordrangen, stiegen lediglich einige „Draken“, die schweren SAAB- Kampfflugzeuge des österreichischen Heeres, zur Warnung auf.

Wien, das die Jugoslawien-Krise über Nacht zur Drehscheibe für internationales Krisenmanagement gemacht hat, setzt statt militärischer Stärke auf Diplomatie. Als erstes Land löste Österreich in der vergangenen Woche den KSZE-Krisenmechanismus aus. Seither hat die Wiener Bundesregierung Emmissäre nach Washington, nach Brüssel und in zahlreiche europäische Hauptstädte geschickt, um ganz besonders die EG doch noch zu einer klaren Position gegenüber Slowenien und Kroatien zu bringen. Bislang hielt sich die Wiener Regierung dabei mit einer eigenen eindeutigen Sympathieerklärung für Slowenien und Kroatien vorsichtig zurück. Das hat sich gestern geändert. Da sprachen sich nacheinander Außenminister Mock und Bundeskanzler Vranitzky erstmals offen für eine Anerkennung der beiden neuen Staaten aus, falls die jugoslawische Armee deren Unabhängigkeitsstreben mit Waffengewalt niederschlagen sollte. Bei einer weiteren Eskalation des Konflikts will Österreich überdies den Weltsicherheitsrat einberufen.

Von ihren anderen westlichen Nachbarländern erwarten Slowenen und Kroaten derart klare Worte vergeblich. Das Nato-Land Italien hat einen Truppenaufmarsch an der Grenze veranlaßt. Mit mehreren Panzereinheiten und hochwertigem Militärgerät soll die Sicherheit der Bevölkerung von Triest und Umgebung geschützt werden. Die Stadtverwaltung erwägt bereits, ein Notstandsgebiet auszurufen. Diplomatisch klammert sich Italien an die zögerlichen Schritte der EG. Gestern forderte Außenminister de Michelis zudem die Einberufung eines Treffens der sieben Nachbarstaaten Jugoslawiens. Ein Tagungsziel nannte de Michelis allerdings nicht. Eine Anerkennung der beiden neuen Staaten lehnt er weiterhin ab. Das sei „kurzsichtig“ und würde „Probleme schaffen“, erklärte de Michelis.

Auch die griechische Regierung hält es mit den Panzerkommunisten in Belgrad. Schon um das Entstehen eines neuen Konfliktherdes im jugoslawischen Teil Makedoniens zu verhindern, beschwört die Regierung in Athen den Erhalt des jugoslawischen Staates. Zur Sicherung der eigenen Grenze hat Griechenland eine Truppenverstärkung eingeleitet und die bereits in Griechisch-Makedonien stationierten Soldaten in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt.

In Österreich sind unterdessen bereits erste politische Klimaänderungen infolge der Jugoslawien-Krise spürbar. So hat die Bundesregierung am Dienstag einem zuvor lang umstrittenen Kauf von Boden-Luft- Lenkwaffen zugestimmt. Und in den Grenzgebieten, wo die deutschsprachige Bevölkerung und die slowenisch-österreichische Minderheit Haus an Haus mit ihren Nachbarn lebt und ganze Ortschaften auf den kleinen Grenzhandel angewiesen sind, hat inzwischen eine regelrechte Bundesheer-Euphorie eingesetzt.

Folgenschwer könnte sich auch das Lavieren der EG in Österreich auswirken. Zwar gab es in der offiziell beitrittswilligen Alpenrepublik schon länger Skepsis gegen eine Einbindung in den europäischen Verbund, doch nach den vergeblichen Missionen der EG-Troika in Belgrad ist in Wien verächtlich von den „drei Eseln des Abendlandes“ die Rede. dora

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen