piwik no script img

Zappzarrrrrrapp - Finger ab

■ Auch im Sommer'91: Hochkonjunktur für abgetrennte Finger und Zehen

Wenn draußen die Sonne scheint, geht es auch im Operationssaal der Plastischen Chirurgie an der Medizinischen Hochschule in Hannover heiß her: In keiner anderen Jahreszeit müssen mehr abgetrennte Finger und Zehen angenäht werden als im Sommer. Professor Alfred Berger und sein 16 köpfiges Ärzteteam brauchen sich über mangelnde Arbeit nicht zu beklagen, denn vor allem Rasenmäher sorgen für Nachschub.

Seit zehn Jahren gibt es in Hannover die Plastische Chirurgie, und jeden Sommer wiederholt sich nach Bergers Worten das gleiche Drama. Der österreichische Spezialist weiß, wie ein abgetrenntes Glied sichergestellt werden muß: In einer Plastiktüte, die — fest verschlossen — in einen zweiten mit Eis gefüllten Beutel gelegt wird. „Keinesfalls darf der Finger oder Fuß direkt in Speiseeis gelagert werden, das erschwert die Behandlung und kommt leider viel zu oft vor“, warnt Berger.

Ein gekühltes Bein könne noch bis sechs Stunden nach der Abtrennung angenäht werden, ein Finger gar bis zu zwölf Stunden später. In den vergangenen zehn Jahren haben Berger und seine Mitarbeiter 560 Glieder wieder angebracht, darunter zwölf Beine und 42 Arme. Die Chance, daß die Patienten nach der Operation das Glied wieder voll nutzen können, liege bei 75 Prozent.

Doch Bergers Arbeitsgebiet ist viel weiter gesteckt. Auch Hauttransplatationen gehören dazu, die ebenfalls im Sommer durch falsches Hantieren mit Grillgeräten häufiger als sonst vorkommen. 96 Prozent der Nervenverletzungen, die die Plastische Chirurgie behandelt, entstünden im Schulterbereich bei Motorradunfällen. Auch hier ist im Sommer Hochkonjunktur.

Durch die Mikrochirurgie seien hier die Heilungschancen in den vergangenen Jahren stark verbessert worden. Der dreijährige Florian Berg aus dem Saarland beispielsweise, dessen rechter Arm seit der Geburt durch eine Nervenquetschung gelähmt ist, wurde von Berger fünf Stunden lang operiert; der Junge werde in ein paar Monaten ohne Probleme wie die anderen Kinder herumtollen können, glauben die Mediziner.

Geforscht wird in Hannover intensiv nach Möglichkeiten, auch Fremdorgane für die Plastische Chirurgie zu verwenden. „Unser größtes Problem ist die Abstoßreaktion des Körpers“, erklärt Berger.

Andre Uzulis/dpa

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen