: „Buhmann“ Möllemann vor dem Finale
■ Der Wirtschaftsminister droht vor den Subventionsentscheidungen des Kabinetts erneut mit Rücktritt/ Rückendeckung von Genscher/ Bergleute demonstrieren gegen Subventions- und Förderkürzungen
Berlin (dpa/taz) — Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP) hat sein politisches Schicksal erneut mit der Subventionsfrage verknüpft. Sollte sich das Bundeskabinett am kommenden Mittwoch nicht auf Kürzungen von insgesamt 30 Milliarden Mark in den Jahren 1992 bis 1994 verständigen, will der Minister das Handtuch werfen. Im Westdeutschen Rundfunk sagte Möllemann: „Wenn das Ziel nicht erreicht wird, dann hat die Regierung einen neuen Wirtschaftsminister, jedenfalls nicht mehr den bisherigen.“
Rückendeckung erhielt Möllemann von seinem Mentor Hans- Dietrich Genscher, der die Bundesregierung bei der Kabinettsentscheidung auf Subventionskürzungen von zehn Milliarden Mark jährlich auf dem „finanzpolitischen Prüfstand“ sieht. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Bonner Unionsfraktion, Wissmann, glaubt dagegen, daß Möllemann sein selbst gesetztes Ziel „glatt verfehlt“ habe und nun nur noch versuche, mittels „kleinkarierter Interpretationen“ von der Rücktrittsankündigung herunterzukommen.
Insbesondere in den Kohleregionen an Ruhr und Saar entwickelt sich der Wirtschaftsminister im Vorfeld der Entscheidungen zum Ober-Buhmann. Mehrere hundert Bergleute demonstrierten am Samstag in Recklinghausen gegen seine Pläne zum drastischen Abbau von Kohlesubventionen und -fördermengen bis zum Jahr 2005. Die IG Bergbau kündigte weitere Protestaktionen an. Möllemann verteidigte vor Ort, immer wieder von Protestrufen und Pfiffen unterbrochen, seine Linie.
Danach will der Minister mit der EG-Kommission zunächst über die Einhaltung des „Jahrhundertvertrags“ über die Verstromung von jährlich 40,9 Millionen Tonnen Steinkohle bis Ende 1995 verhandeln. Bis zum Jahr 2005 soll dann etwa ein Viertel weniger Kohle zur Verstromung aus der Erde geholt werden. Schon bis zum Jahr 1994 will Möllemann die Kokskohlenbeihilfe des Bundes um 1,1 Milliarden Mark kappen. Eine Reduzierung der im sogenannten Hüttenvertrag festgelegten Kokskohlelieferungen nannte Möllemann „unabdingbar“. Unter dem Strich würde dem Steinkohlebergbau ein Absatz von 45 Millionen Tonnen pro Jahr an Kraftwerke und Hütten bleiben. 1990 lag die Förderung bei rund 70 Millionen Tonnen.
Die IG Bergbau und Energie kritisierte Möllemanns angepeilte Fördermengen als völlig unzureichend und forderte erneut eine Mindestgrenze von 55 Millionen Tonnen jährlich. Als Mindestmenge für die Kohleverstromung nannte der Chef der Saarbergwerke, Hans-Reiner Biehl, eine Marke von 35 Millionen Tonnen jährlich: Um „bruchartige Entwicklungen“ im Steinkohlebergbau zu vermeiden, müßten „die Weichen jetzt gestellt werden“. gero
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