: Im Kern totalitär-betr.: "Zur Vernunft genötigt", taz vom 6.7.91
betr.: „Zur Vernunft genötigt“, taz vom 6.7.91
In Ihrem Kommentar schreiben Sie: Die PLO habe jetzt, machtlos wie sie sei, gar keine andere Chance, als vernünftig, d.h. gewaltfrei zu agieren. Bitte erlauben Sie mir, darauf hinzuweisen, daß die PLO noch nie eine andere Chance hatte, als vernünftig zu sein. Das Problem ist bloß: Sie war es nicht. Die PLO existierte von Anfang an einzig und allein zu dem Zweck, einen anderen Staat auszuradieren — siehe die Vereinsstatuten. Das ist absolut einmalig und gilt für keine andere Befreiungsbewegung der Welt. Sie behaupten, die PLO könne „aus Schwäche Stärke gewinnen, wenn sie (...) auf Prinzipienreiterei verzichtet und sich zunächst auf eine Autonomielösung einläßt“. Wenn ich diesen Satz gegen den Strich lese, dann steht da: Wenn die Palästinenser übermorgen feststellen, daß die Westbank de facto fest in isralischer Hand ist, sollten sie sich dafür bei ihrer eigenen Führung bedanken. Deren Lieblingsbeschäftigung besteht ja seit Jahren darin, historische Chancen leichtfertig zu verspielen. Die verbrecherische Kurzsichtigkeit dieser Leute bleibt nur für den ein Mysterium, der noch immer nicht begriffen hat, daß die Ideologie der PLO im Kern totalitär ist.
Die größte Chance ihres Lebens hatten die Palästinenser, so paradox es klingen mag, zur Zeit des Golfkrieges. Damals hätten sie erklären können: Wir sind palästinensische Nationalisten, mit den panarabischen Großmachtträumen eines Saddam Hussein haben wir nichts im Sinn, sie gehen uns nichts an. Nicht die Moral, die politische Klugheit hätte ihnen diktieren müssen, so zu handeln. Sie haben es nicht getan. Statt dessen arbeiteten die PLO-Aktivisten in Kuwait als Quislinge und Fünfte Kolonne der irakischen Invasoren. In den von Israel besetzten Gebieten aber lautete der Slogan der PLO: „Bewerft die Juden mit Giftgas!“ Jossi Ssarid, langjähriges Mitglied der israelischen Friedensbewegung, erklärte in der Zeit der Scud- Angriffe und Gasmasken (die in Deutschland schon wieder vergessen ist): „Die Palästinenser — nicht alle — steigen jetzt auf die Dächer wie die Mondsüchtigen und schreien ,Allah ist groß‘ und beklatschen die gegen Israel fliegenden Raketen. Sie schreien, und ich brülle zurück: ,Verrückte, steigt herunter von den Dächern‘, aber sie wollen nicht, sie wollen weiter verrückt spielen. Wenn eine verirrte Kugel deren Kind tötet, bluten unsere Herzen. Wenn aber eine Rakete abgefeuert wird, um unser Kind zu töten, da füllt sich ihr Herz mit Freude.“
Die Palästinenser in Gaza und der Westbank fürchten mittlerweile ihre fundamentalistischen Terror- und Mordkommandos mehr als die doch immerhin berechenbaren israelischen Soldaten. Büchners berühmter Satz gilt dabei genau umgekehrt: Die Kinder der Intifada fressen ihre Eltern. Die Killerkommandos der Palästinenser rekrutieren sich zum großen Teil aus den jugendlichen Steinewerfern der vergangenen Jahre. Adnan Damiri, ein langjähriger Aktivist des Aufstands, schrieb dieser Tage in 'Al Fajr‘: „Der Dämon und Gott, den wir geschaffen und angebetet haben und der sich gegen uns gewendet hat, ist die Intifada.“ Gemessen an Figuren wie Yassir Arafat, kommen mir Shamir und sogar Sharon wie die Gerechten der Völker vor. Hannes Stein, Hamburg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen