INTERVIEW: Strahlende Männer und eiskalte Frauen
■ Oder: Die alltägliche Diskriminierung des Wetters/ Warum Tiefs Frauen-, Hochs aber Männernamen tragen
Noch ermattet von Leopold sitzen wir hier an unseren Schreibtischen. Nein, die erhoffte Kühlung hat uns Gilda auch nicht gebracht. Die grauen Wolken des Tiefausläufers sammeln unter sich höchstens alle Schwüle der vergangenen Sonnentage. Und schon naht, wir haben es just dem Wetterbericht (siehe Seite 4) entnommen, das nächste Hoch: Moritz wird uns ab Freitag den Schweiß aus allen Poren treiben. Ein Hoch namens Leopold? Das Tief Gilda? Und wieder ein Hoch namens Moritz? Was ist von dieser Frauendiskriminierung der Wetterfrösche zu halten? Die taz fragte Christian Treuer, Meteorologe vom Dienst an der Freien Universität Berlin.
taz: Herr Treuer, Sie machen aus ätzendem Pißwetter, das einem die gute Laune gleich nach dem Aufstehen raubt, ein weibliches Donnerwetter, ein Hoch dagegen wird mit einem männlichen Namen getauft. Wie kommt's zu dieser Ungerechtigkeit?
Christian Treuer: Das hat Tradition. Die amerikanischen Meteorologen tauften in den 30er Jahren die Hurrikans nach Frauen. Gedacht haben sie dabei an die Schiffskapitäne, die auf dem Meer ganz schön Schiß vor den Stürmen hatten und in derbe Flucherei ausbrachen, sobald ein Hurrikan angekündigt war. Eine „Janet“ oder „Rose“ sollte schöne Erinnerungen wecken und die Seefahrer das Fluchen vergessen lassen.
Die Wetterfrösche also als Missionare, damit die Beichtväter weniger zu tun haben?
Na ja, so wird's erzählt. Wir haben das in unserem Institut dann in den 70er Jahren übernommen und Tiefs mit weiblichen Namen getauft. Dafür haben wir zehn Listen mit Frauennamen — und wenn die abgeklappert sind, fangen wir von vorne an. Meines Wissens sind wir neben den amerikanischen Meteorologen die einzigen, die dem Wetter einen Namen geben.
Für die Hochdruckphasen haben sie später eine Liste mit Männernamen eingeführt. Hielten Sie das für eine gute Idee, oder kann frau bei schönem Wetter nur an Männer denken?
So ungerecht ist das gar nicht. Schließlich bringen die meteorologischen Frauen Feuchtigkeit und Fruchtbarkeit — also Leben. Das paßt doch, oder? Wenn wir dagegen nur schönes Wetter hätten, also nur „Männerwetter“, sähe es bald düster aus. Da gäb's nüscht mehr.
Haben sie denn — der Logik der amerikanischen Wetterforscher folgend — ein Tief, an dessen Namen Sie sich ganz besonders gerne erinnern?
Nein, eigentlich nicht.
Noch was: Inzwischen tut Gilda auch, was sie soll — nämlich regnen.
Das Gespräch führte
Petra Brändle
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