■ Ein Kessel Tuntes — Die Sonntagsshow des Suleika Bergmann-Pohl-Ensembles in der AHA

Da haben sich ein paar Tunten einen Kinderwunsch erfüllt: Suleika Bergmann-Pohl, Prof. Peter Pohl, Katherine de Boeuf, Kleo Kloppstock, Krimslana Wodkowa und Dino Ross gehören zu den waghalsigen Revoluzzern, die vor drei Jahren in einem Handstreich die eingeschlafene Allgemeine Homosexuelle Arbeitsgemeinschaft (AHA) übernahmen und auf Vorderfrau brachten. Sie bedienten sich der vorhandenen Mikrofone und Verstärker und traten später als Suleika-Bergmann-Pohl-Ensemble in das Rampenlicht - den Namen schuf natürlich Melitta Poppe. Doch nur an einem einzigen Tag im Monat ist ihre Kultur von ganz hinten für die Öffentlichkeit bestimmt: Am Sonntag ist es aber für den Kessel Tuntes wieder soweit.

Der »Tuntenkessel« ist eine Parodie auf die Sendung des DDR-Fernsehens mit dem ähnlich klingenden Titel: Mit Musik, Kabarett, Werbeblock, Quiz, Talkrunde und unter jeweils einem neuen Motto. Nach »Mutter und Kind« und »Huhn und Schwan« heißt das aktuelle Thema »Sommer, Sonne, Herzinfarkt«. Potpourris der beliebtesten deutschen Urlaubslieder, Songs von Abba, den Beatles, Hilde Knef, Bettina Wegner bis zu den Pet Shop Boys hat das Ensemble dafür zusammengestellt — um sie vollends zu verspotten.

»Wir erfüllen nicht die üblichen Erwartungen«, meint denn auch sehr vorsichtig der weise Prof. Pohl. »Denn zu große Erwartungen machen uns Streß«, schiebt Frau Klopstock nach. Noch immer gibt sich das Bergmann-Pohl-Ensemble überaus bescheiden und macht fast keine Werbung für die eigene Show.

In einem Punkt sind die Ängste verständlich: Im Kessel Tuntes gibt's nicht das übliche Vollplayback; alle singen live, obwohl sie es nicht können. Doch ihr Unvermögen geben Suleika, Dino, Katherine und die anderen unverhüllt zu. Wissen sie doch selbst, daß ihre Songs auf diese Weise nur an Qualität gewinnen. Vor allem, wenn der Originaltext belassen wird: »Gunter Gabriels Lieder sind so doof, da darf man gar nichts verändern.« Variiert wird daher allein mit Stimme und Synthesizer. Neue Texte entstehen hin und wieder beim Üben: Mal sind es plumpe Anspielungen, mal ernsthafte Reflexionen über das schwule Sein.

Was aber die Einmaligkeit des Ensembles bestimmt, ist seine chaotisch-witzige Choreographie: Neben erstaunlichen multi-medialen Effekten sind es die Darsteller selbst, die die Zuschauer im Bann halten: Suleika, wenn sie mit ihrem korpulenten Körper um alles und jeden herumwackelt; ihre Sangesschwestern, wenn sie verrückteste Figuren und Grimassen zu den banalen Texten erfinden.

»Schon wenn wir zusammen sitzen, fangen wir an zu spinnen«, erklärt Prof. Pohl das bewährte Konzept. Den enormen Spaß am Experiment merkt man der Gruppe auch an, der jeder Karrieretrieb fremd ist. Auch wenn Suleika vom Ensemble zur Primadonna aufgebaut wird, will es damit nur den üblichen Starrummel karikieren. Und doch ist sich die Gruppe nicht sicher, ob ihr Konzept von den verwöhnten ZuschauerInnen auch immer richtig verstanden wird. »Naja, wir nehmen keinen Eintritt, es kann sich niemand über uns beschweren«, entschuldigt sich Prof. Pohl schon im voraus. Dabei könnte er ganz beruhigt sein: Bei dem irren Mut und Witz seines Ensembles hat wirklich niemand auch nur den geringsten Grund zur Reklamation. Am Sonntag um 21 Uhr in der AHA, Mehringdamm 61, 1/61 Micha Schulze/ Foto: Jürgen Baldiga