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Mickrig wie in Wimbledon

■ Die Mini-Erdbeere anno 91: Schmackhaft, teuer, heiß begehrt

Jetzt ist es um die letzten überlebenden Erdbeeren auch noch geschehen. Straße bei Tarmstedt.Foto: bus

Es ist in jedem Jahr dasselbe: Wenn die Sonne kräftig vom Firmament herunterbrennt, geht's auf Erden der Erdbeere an den Kragen. Etliche Tonnen werden in Quarkspeisen und Milchshakes zerquetscht, mit geschlagener Sahne beworfen oder gleich ohne weitere Vorbehandlung verspeist.

Fans zahlen mitunter horrende Preise, um in den Genuß des zartbehaarten Obstes zu kommen - beim Tennisturnier in Wimbledon, dem Mekka nicht nur der Schlägerschwinger, sondern auch der Erdbeervertilger, löhnten Liebhaber gerade ein Britisches Pfund für sechs kümmerliche Früchte!

Während in der vergangenen Jahren immer ausreichend Erd

hierhin bitte das

Foto von der Straße

mit Erdbeerplakat

beeren zur Verfügung standen, sieht es heuer eher bedenklich aus. Der Grund ist das schlechte Wetter im Frühsommer. Zunächst blieben wochenlang die zum Erdbeerwuchs dringend benötigten Niederschläge aus, und dann kriegten es die empfindlichen Pflanzen gar noch mit ihrem ärgsten Feind zu tun: Der Nacht

frost kam mitten im Mai und zerstörte zwei Drittel der Blüten. Als dann im Juni der große Regen niederging, gaben die frustrierten Erdbeerbauern ihre Ernte bereits gänzlich verloren, bis endlich die herbeigeflehte Julisonne den Beeren-Rest rettete.

„So schlecht war das Ergebnis noch nie — kein Wunder bei dieser gräßlichen Witterung“, klagt Peter Brinckmann, Landwirt aus dem Oldenburgischen. Dafür zeichnen sich die Früchte nach Ansicht erprobter Erdbeer-Gourmets durch ihren hervorragenden Geschmack aus.

Als „bißfest, saftig und lecker“ rühmt auch Friedhelm Meyer den 91er Jahrgang. Auf Meyers riesiger Plantage bei Achim können Leckermäuler die Beeren selber ernten und sie für 1,38 Mark pro Pfund nach Hause tragen. Im vergangenen Jahr gab es den Spaß noch billiger — die schlechte Ernte in dieser Saison treibt halt die Preise in die Höhe. Friedhelm Meyer zählt dennoch genügend fleißige Pflücker in seinen Erdbeerfeldern. Zwar habe sich die Fruchtreife deutlich verzögert, das derzeitig gute Wetter mache allerdings viel Schaden wieder wett.

Wer keine Lust hat, eigenhändig zu pflücken, der wird beispielsweise auf dem Findorffer Wochenmarkt fündig. Erdbeeren werden dort an jeder Ecke feilgeboten, teilweise aber zu Phantasiepreisen von 4 Mark pro Pfund. Und das sind — Gaumenfreude hin, Ernteflaute her — fast schon Verhältnisse wie im Wimbledon. hg

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