: „Krieg gegen Einwanderung“
■ Paris will illegale Immigration in den Griff bekommen/ 80.000 Menschen drohen radikale Massenabschiebungen/ Arbeitsverbot für Asylbewerber
Paris (taz) — Z'enon ist eine Ausnahme: Er kann die Pariser Sankt-Josephs-Kirche endlich unbesorgt verlassen. Der Zairer hatte vor dem 1. Januar 1989 Antrag auf Asyl gestellt und unterdessen Arbeit gefunden. Als sein Wunsch abgelehnt wurde, suchte er im April zusammen mit rund hundert anderen Ausländern in der Kirche Schutz; 53 von ihnen traten vor einer Woche in Hungerstreik, um ihre Ausweisung in Länder wie die Türkei, nach Sri Lanka oder Guinea Bissau zu verhindern. Am Mittwoch hat die französische Regierung nun beschlossen, allen Asylbewerbern das Aufenthaltsrecht zu gewähren, die ihren Antrag vor dem 1. Januar 1989 gestellt haben und sich beruflich eingliedern konnten.
Dieser Beschluß gehört zum „humanitären“ Teil des Gesamtpakets für den „Krieg gegen die heimliche Einwanderung“ (Regierungssprecher Jack Lang). Doch etwa 80 Prozent der abgewiesenen Asylsucher — das sind rund 80.000 Menschen — werden den Kriterien nicht gerecht. Ihnen gelten die „kriegerischen“ Maßnahmen. Die Regierung will die Kontrollen im Land und an den Grenzen verschärfen. Innenminister Marchand betonte bereits triumphierend, daß seine Polizisten pro Woche fünf Unternehmen auf den Zahn fühlen, die im Verdacht stehen, illegale Immigranten zu beschäftigen — unter der konservativen Chirac-Regierung habe es nur zwei derartige Kontrollen im Monat gegeben. Den Arbeitgebern droht künftig die Ausweisung oder die Konfiszierung ihrer Güter. Im französischen Baugewerbe, in der Konfektion und in der Landwirtschaft herrscht jedoch eine so große Nachfrage nach billigen Handarbeitern, daß der Erfolg dieser Absicht schon jetzt bezweifelt wird. Großprojekte wie Euro-Disneyland und das Olympiagelände in Albertville könnten ohne Leiharbeiter kaum frist- und kostengerecht fertiggestellt werden.
Wer bei den Kontrollen auffliegt, wird nach Gerichtsbeschluß ausgewiesen. Dies müsse jedoch „im Geist der Humanität“ geschehen, betont die Regierung. Nur wenn ein Ausländer der Abschiebung nicht freiwillig zustimmt, sollen „angemessene Wege“ eingeschlagen werden.
Die französischen Auslandskonsulate sind aufgefordert, die Vergabe von Visa noch strenger zu handhaben; eine Weigerung müssen sie nicht begründen. Die unkontrollierte Einreise nach Frankreich wird neuerdings durch die Einführung von Transitvisa erschwert. Wer seine Verwandten aus Afrika oder dem Maghreb einladen will, muß nun in demütigende Kontrollen einwilligen: Die Bürgermeister erhalten das Recht, die Wohnverhältnisse der Gastgeber zu überprüfen.
Asylbewerber sollen in Zukunft nicht mehr arbeiten dürfen. Gegen dieses Verbot hatte sich erst kürzlich die französische Beratungskommission für Menschenrechte gewandt, da es die Asylbewerber entweder in die Armut stürzt oder zur Schwarzarbeit verleitet. Bettina Kaps
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