: SPD will Raumfahrt-Milliarden
■ Bonn will aus HERMES aussteigen / SPD verteidigt Aufträge für ERNO in Bremen
Radikale Ausstiegs-Rhetorik war vor einigen Tagen aus dem Bonner Bundesfinanzministerium zu hören. Ein Informationsdienst: „Für möglich, einleuchtend und geboten hält der Bundesfinanzminister den deutschen Ausstieg aus dem europäischen Weltraum- Großvorhaben HERMES. Der Minister hat den Arbeitsgruppen Haushalt der Bundestagsfraktionen CDU/CSU und FDP Anfang der Woche in einer Klausurtagung empfohlen, den Verzicht auf die weitere deutsche Beteiligung aus finanziellen Gründen ernsthaft zu erwägen.“ Insgesamt geht es beim deutschen Raumfahrt-Etat bis zum Jahr 2.000 um eine Summe von 20 bis 25 Mrd. Mark. Das Geld verteilt sich auf die Projekte HERMES und COLUMBUS.
Aufgescheucht durch die Ausstiegs-Töne sind die Abgeordneten der SPD, die im Bundestagsausschuß für Forschung und Technologie sitzen. Sie haben Angst um Arbeitsplätze und um die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrie. Die Bremerhavener SPD-Abgeordnete Ilse Janz lud ihre Ausschußkollegen vergangene Woche nach Bremen ein, damit diese einmal das Bremer Raumfahrt-Werk ERNO/ MBB aus der Nähe betrachten können. Josef Vosen, SPD-Abgeordneter aus Düren, war nach der Besichtigung beeindruckt: „Wir sehen diesen Betrieb als unterstützenswert an. Es gibt bei ERNO eine hochqualifizierte Mannschaft, die kann man nicht zur Disposition stellen.“ Vosen, ganz staatsmännisch: „Wir Deutschen müssen aufpassen, daß uns unser Ingenieurwissen nicht verloren geht.“ Vosen weiter: „Ilse Janz wird bei uns Mitstreiter haben, wenn es darum geht, das Columbus-Projekt zu retten.“
Die SPD-Abgeordneten stehen vor der Schwierigkeit, daß die bemannte bzw. die bemenschte Raumfahrt innerhalb der SPD- Fraktion nicht nur FreundInnen hat. Ilse Janz berichtete, sie habe die Gesprächspartner bei ERNO darauf aufmerksam gemacht, die ERNO-Experten müßten künftig überzeugend darstellen können, welche sinnvollen, zivilen Nutzungsmöglichkeiten die Raumfahrt mit ihren Weltraumlabors eröffne. Josef Vosen: „Die bemannte Raumfahrt ist uns nach wie vor nicht einsichtig. Aber wir wollen die Option dafür aufrechterhalten.“
Nicht nur, daß sich der HERMES-Euro-Shuttel-Projekt durch seine enormen Kostensteigerungen selbst gefährdet: Das ERNO-Werk in Bremen hat auch akute Schwierigkeiten mit dem Columbus-Projekt. Das freifliegende Weltraumlabor, das in Bremen hergestellt werden soll, wird in der Produktion um vier Jahre geschoben, die Kosten sollen gestreckt werden. Damit das Bremer Werk während dieser vier Jahre ausgelastet ist, soll der italienische Co-Produzent von seinem Auftragsvolumen den BremerInnen das angedockte Labor abtreten. Die Verhandlungen laufen derzeit. Auftraggeber für das europäische Gemeinschaftsprojekt „Columbus“, ein Raumstations- und Plattform-Programm, ist die Europäische Weltraumorganisation ESA. MBB-ERNO ist bei Columbus Haupt-Auftragnehmer. B.D.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen