Eine wahre Perspektive-betr.: "Warum Männer Männer lieben", taz vom 11.9.91

betr.: „Warum Männer Männer lieben“, taz vom 11.9.91

Nun haben Schwule einen größeren Zellknoten im Hypothalamus als der Rest der Männerwelt — nach der These der verkrachten und zur ständigen Bedrohung eskalierten Mutterbeziehung eine wahre Perspektive. Im Hinblick auf diverse Sporthallen-Dusche-Verführungstheorien durch gut gebaute, mittelalterliche Erzieher der Leibesübung, erleichtert diese wissenschaftliche Erkenntnis (oder ist es doch wieder eine Theorie?) mein eingefleischt schwules Seelenleben, scheint es doch, ich dürfe an dem Gewicht des Zellknotens in meinem Hirn leichter tragen als an meiner mittlerweile übergewichtigen Mutter oder dem ergrauten Sportlehrer.

Nach Psychotherapie und Paragraph 175 bietet dieser ja dann auch die noch visionäre, wenn auch phantastische, Möglichkeit einer Heilung mittels modernster, neurochirurgischer Operationstechniken. Ja, und denen, die ihr Coming Out vor sich haben, mit ihren Unsicherheiten, ihren Zweifeln und Ängsten, denen stünde die Lösung ebenfalls ins Haus. Zu guter letzt, Gemeinschaft stärkt, dürfen Schwule sich nun mit den Unterdrückten solidarisieren, die immerhin zweistellige Prozentzahlen der Gesamtbevölkerung ausmachen. Der Knoten macht's.

Vielleicht fördert es einmal zu Tage, daß Schwule die größeren Schwänze, die geileren Ärsche und den schöneren Sex haben. Dann wäre die Zeit gekommen, erneut zu forschen, warum nur so viele Männer heterosexuell sind. [...] Thomas, Wiesloch

betr.: dito

„Aufgrund jüngster wissenschaftlicher Untersuchungen konnte mit hoher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, daß wahrscheinlich einige tazlerInnen ihren Berufsstand aufgrund erblich bedingter Nervenfunktionsstörungen gewählt haben. Die Untersuchung wurde vom AK ,Berufsethossicherung der JournalistInnen‘ unter besonderer Unterstützung Adolf Springers (Name vom Verfasser geändert) aufgrund rechtsnationalistischer Tendenzen angefordert. Wie aus linken LeserInnenkreisen zu hören ist, bestehe durch die Ergebnisse der Expertisse die Gefahr der politischen Isolierung der ,letzten linken Tageszeitung‘ in Großdeutschland.

Wie wir aber soeben aus taz-Internas erfahren haben, kann die Untersuchung durchaus ihre positiven Seiten haben: bei geringfügiger Modifizierung der taz sei die Expertise geeignet, zum Werbeschlager von taz- Comics der Nachfolgezeitung des heutigen Blattes zu werden.

Alternativ dazu wird darüber nachgedacht, neue StammwählerInnen — Entschuldigung — StammleserInnen in rechten Gruppierungen zu gewinnen.“ Andreas Funk, Bremen

Warum will die Wissenschaft seit Jahren partout herausfinden, welche Ursachen Homosexualität hat? Können diese Wissenschaftler Homosexualität nicht als eigenständige Lebensform akzeptieren?

Ich und alle meine schwulen Bekannten und Freunde wollen gar nicht wissen, warum wir schwul sind. Wir sind es und damit müssen wir leben, ändern können es weder wir noch diese Wissenschaftler. [...]

Eines Tages erhebt sich die Frage erneut, ob man diese „Abartigkeit“ nicht doch therapieren kann. Müssen wir dann Angst haben, zum Arzt zu gehen oder bleibt uns das erspart? Klaus-Dieter Mohr, Stuttgart

Die Entdeckungen der modernen Medizin werden immer wunderlicher. So haben US-Wissenschaftler — wieder einmal — das Geheimnis der Homosexualität gelüftet. Welche Schlußfolgerungen dürfen Schwule nun aus der bahnbrechenden Erkenntnis ziehen, daß unsere „Ansammlung von Zellen im vorderen Hypothalamus“ bei heterosexuellen Männern dreimal größer ist und „auffallend(?!)ähnlich wie bei heteroosexuellen Frauen beschaffen“ ist?

1.Bei Schwulen hat der Zellhaufen versagt.

2.Es gibt also doch ein drittes Geschlecht.

3.Schwule und Frauen lieben Männer (wußten wir schon).

4.Bei Hetero-Männern ist natürlich alles ein wenig größer und schöner.

5.Lesben und Bis haben bis zur Erforschung ihres Zellhaufens als asexuell zu gelten.

Nun wüßte ich nicht, warum „wir Homosexuellen“ die von Professor LeVay gemachten Studienergebnisse „begrüßen“ sollten, wenn der nicht klipp und klar sagt, was er damit zu tun gedenkt (und was nicht).

Auch scheint es mir ein bisher nicht gelöstes Rätsel heterosexuellen Wissenschaftlertriebes zu sein, warum wir überhaupt wissen müssen, welchen Grund es hat, daß die Natur es offenbar für nötig hält, die Erde neben sich zwanghaft heterosexuell vermehrenden Familienwesen auch noch mit allerlei homosexuellen Menschen und Tieren zu bevölkern. Vielleicht können Forscher nicht anders?

Ich schlage deshalb vorerst vor, daß Lesben, Bis und Schwule gemeinsam gegen Experimente protestieren, die „Homosexuelle wegspritzen“ (Amendt) wollen. Es wird Zeit, daß wir an die Opfer der wissenschaftlich verbrämten „Endlösung der Homosexuellenfrage“ erinnern, die es schon gab, bevor KZ- Ärzte auf die Idee kamen, und auch noch danach, wie man sieht. [...] Bleibt anzumerken, daß die Entdeckung des entarteten Homo-Zellhaufens nichts, aber auch gar nichts an schwulen Problemen aufgrund einer realexistierenden Heteroumwelt ändert. [...]

Vielleicht sucht man bei der Lösung des „Problems“ ganz einfach am falschen Ort. Irgendwann wird sich zum Entsetzen heterosexueller Wissenschaftler herausstellen, daß der männliche Penis — oh Göttin! — in Wirklichkeit nur eine nach außen gestülpte, deformierte Scheide ist. Spätestens zu diesem Zeitpunkt werden sich findige Schwule mit den Frauen verbünden und gemeinsam das Patriarchat abschaffen. Wollen wir doch mal sehen, wozu unterentwickelte Zellhaufen so alles zu gebrauchen sind! [...] Dirk Ruder, Demokratische Lesben- und Schwuleninitiative, Moers