: Belebung toter Ecken mit Kunst
■ Das Kulturbüro Tenever als flankierende Sanierungsmaßnahme gegen den rohen Beton
Vom Bremer Hauptbahnhof ist es eine Stunde bis Hamburg — oder bis Osterholz-Tenever: 2.500 Wohnungen, ca. 6.000 EinwohnerInnen, zwei Cafes, ein Imbiss. Als die Siedlung Mitte der 70er Jahre fertig wurde, galt sie als städtebaulich. Heute ist sie Entwicklungsgebiet im Sinne des Städtebauförderungsgesetzes. Seit vier Jahren wird unter Beteiligung der BewohnerInnen saniert. Mit dem Umbau der Häuser allein ist es jedoch nicht getan.
Die Rekonstruktion geht einher mit einer kulturellen Revitalisierung der Siedlung: Das Kulturbüro Osterholz-Tenever, eine Einrichtung der Kulturbehörde, Abteilung Breitenkultur, soll die fehlenden kulturellen Anstöße im Vorort geben. Das Büro in einer Dreizimmerwohnung in der Neuwiederstraße 22 ist Anlaufstelle, Treffpunkt, Galerie und Organisationszentrale. Erfolgreich bemühte sich das Kulturbüro zunächst um eine Verbesserung der Buslinien — die 25 fährt mehrfach täglich vom Hauptbahnhof bis Tenever durch. Das lindert zwar das Gettogefühl ein wenig. Worauf es den beiden Mitarbeiterinnen im Kulturbüro aber ankommt, ist, die kulturelle Vielfalt in der Großsiedlung zu entdecken und ans Licht zu fördern.
Die Hochebenen für Fußgänger, unter denen der Autoverkehr fließen sollte, bilden keinen öffentlichen Raum, in dem sich flanieren ließe. Die Stadt gibt nicht mal das Geld für Papierkörbe aus. Auf den Fußgängerbrücken und Wegen geht man nicht zum Spaß umher, es gibt nichts zu sehen. Allerorten findet man funktionslose Ecken, betonierte Windfänge, in denen es nur streng riecht.
Nun hat man mit dem Ausbau der Sockelgeschosse begonnen. Die ungenutzen Hauseingänge und ebenerdigen Flure bieten sich für den Ausbau zu Treffpunkten an. Auch das Kulturbüro will in absehbarer Zeit in ein Sockelgeschoß umziehen: Eine Galerie mit breiter Fensterfront und größtmöglicher optischer Offenheit soll entstehen. Ausstellungen, Lesungen und Filmvorführungen werden dann nicht mehr — wie bisher — im Abseits des dritten Stocks verschwinden.
Anlaufstellen mit Beratungsfunktion und soziale Einrichtungen gibt es genug: Das „Haus der Familie“, die Arbeiterwohlfahrt, ein Jugendfreizeitheim, den Gesundheitstreff für Frauen und ein Mütterzentrum. Nur: Es gibt keine Treffpunkte ohne Zielgruppenfunktion. Wohin also kann man gehen, wenn man einfach mal ohne Problem einen Kaffee trinken will?
In Osterholz-Tenever beträgt der Anteil der AusländerInnen 25 Prozent. Aus der Türkei, Irak, Iran, Kurdistan, Marokko und Lateinamerika und aus der Sowjetunion kommen viele der alten und neuen BewohnerInnen. Das Kulturbüro will da künstlerische Potentiale fördern. Besonders gut funktioniert bisher der Kulturflohmarkt, der von Mai bis Oktober auf dem Marktplatz veranstaltet wird. Da wird nicht nur verkauft. Musik —und Theatergruppen aus dem Stadtteil präsentieren auch ihre Programme, wie z.B. eine Combo marokkanischer Jugendlicher, die sich in einem Cafe in einem ausgebauten Sockelgeschoß trifft.
Die nächste große Aktion des Kulturbüros wird im Herbst die Veranstaltungsreihe „Tenever Internatinal“ sein, die bereits im letzten Jahr mit großer Beteiligung aus dem Stadtteil stattgefunden hatte. juan
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