: Wisente für Promis, Diplomaten und Touristen
Die Jagd ist auch in Polen ein Sport der Mächtigen/ Wie Bierut die Diplomatenjagd in den Sozialismus einführte/ Heute tummeln sich hier westdeutsche Unternehmer/ Das alte und neue Imperium von Lansk ■ Aus Warschau Klaus Bachmann
Wenn Wieslaw K. einen Hasen von der Jagd mitbringt, hat er schon wieder Verluste gemacht: Die Patronen kosten mehr, als der Hase einbringt, auch wenn Wild in der Stadt horrende Summen kostet und meist gar nicht zu kaufen ist. Erst beim Reh, sagt er, mache er etwas Gewinne. Doch Rehe gibt es nicht allzu viele in seiner Gegend. In Masuren, den Beskiden und anderen waldreichen Gegenden Polens, wo es noch (geschützte) Bären, Hirsche und sogar Wisente und Gemsen gibt, da jagen andere. In der letzten Zeit sind das vor allem westdeutsche Unternehmer und Diplomaten aus aller Herren Länder, die dort gegen harte Devisen unter Ausschluß der Öffentlichkeit die Flinte anlegen.
Sie lassen im Durchschnitt viermal mehr Devisen im Land zurück als gewöhnliche Touristen. Für sie hat die noch staatliche Touristik-Holding Orbis sogar ein eigenes Jagdbüro eingerichtet, das 1988 von rund 10.000 Kunden circa 16 Millionen D-Mark kassierte. Ein Wisent zu erlegen, kostete damals schon 4.000 Dollar, der Abschuß eines Wolfes immerhin 1.500 Dollar. Auf die Wisent-Jagd hatten die Devisentouristen sogar lange Zeit das Monopol — gemeinsam mit der einheimischen Prominenz. Die jagte vor allem in Lansk (Masuren). Angefangen hat das, erinnert sich Wieslaw Bialkowski, Autor eines Buches über das „Imperium von Lansk“, mit Boleslaw Bierut, dem stalinistischen Parteichef Polens, der einen ruhigen Ort zur Pflege seiner Gesundheit suchte. Die Parkverwaltung drückte ihm ein Gewehr in die Hand — und damit war die Jagd auch für die kommunistische Machtelite vom Odium des Großbürgerlich-Feudalen befreit. Seither gilt Lansk als Tummelplatz der Mächtigen. Dort jagten Breschnew, Giscard d'Estaing, Willy Brandt und Reza Pahlewi.
1981 verlangte Solidarnosc die Schließung des Parks für die Jagd und die Umwandlung der Unterkünfte in ein Altenheim. Nach dem Kriegszustand 1981 wurde jedoch weiter gejagt, und selbst als 1989 die Regierung Mazowiecki die Macht übernahm, blieb Lansk regierungsamtliches Erholungszentrum. Aus der derzeitigen Regierung werden allerdings kaum jemanden besondere Jägerambitionen nachgesagt. Am nächsten kommt dem noch Lech Walesa mit seiner Angelleidenschaft. Marek Dabrowski, Ex-Vize-Finanzminister und Kandidat für den Posten des Nationalbankchefs, jagt zwar, aber nur auf seinem Fahrrad durch die Wälder.
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