: Noch keine Asyländerung in Sicht
■ Koalition ist sich nicht einig über Änderung des Grundgesetzes/ SPD-Fraktionschef spricht sich strikt dagegen aus/ Alle Parteien diskutieren nächste Woche gemeinsam mit dem Bundeskanzler
Bonn (taz) — Wiederholt sind die Spitzen der Bonner Koalition gestern an dem Versuch gescheitert, sich auf eine gemeinsame Linie in der Asylpolitik zu einigen. In einem Gespräch zwischen Vertretern von Partei- und Fraktionsvorständen am Dienstag morgen soll sich laut TeilnehmeInnen zwischen CDU/CSU einerseits und FDP andererseits „nichts bewegt“ haben.
Nach wie vor wehren sich fast alle hochrangigen Freidemokraten dagegen, den Asylartikel 16 des Grundgesetzes zu ändern. Die Union fordert diese Änderung. Bevor am Freitag nächster Woche die Vertreter aller Parteien zusammen mit Helmut Kohl über die Asylfrage sprechen, wollen sich die Koalitionäre noch einmal zusammensetzen. Daß sie sich dann einigen, ist nicht abzusehen — und wenig wahrscheinlich. So sieht das wohl auch die CDU/CSU-Fraktion. „Die bleiben bei ihrer Meinung“, vermuteten gestern Innenpolitiker über die Haltung der FDP. Sie betonten zwar, es „bringe“ wenig, das Asylverfahren zu ändern, lehnten jedoch entsprechende neuere Vorschläge der Freidemokraten nicht ab. Demnach sollen etwa künftig Einzelrichter entscheiden und asylrechtliche Verfahren auf eine Instanz beschränkt werden. In einem Gespräch mit der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung‘ forderte Bundesjustizminister Kinkel überdies, Asylverfahren in zentralen Stellen zu betreiben, in denen auch Gerichtsverfahren abzuhalten und von denen aus Abschiebungen vorzunehmen seien.
Die mit der Asylfrage befaßten Christdemokraten scheinen nun verstärkt auf die SPD zu setzen. Immer mehr Sozialdemokraten denken in letzter Zeit öffentlich darüber nach, den Asylartikel 16 oder/und den Artikel 19 (Rechtsweggarantie) des Grundgesetzes zu ändern. Um Gespräche mit ihnen und Gleichgesinnten bemüht sich etwa besonders Johannes Gerster, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Andere in der Unionsfraktion fordern für den Fall, daß man sich mit der FDP nicht einigt, „über Fraktionsgrenzen hinweg“ eine Änderung des Artikel 16 anzustreben — sprich: wie bei der parlamentarischen Entscheidung über den künftigen Regierungssitz, ohne Fraktionszwang abzustimmen.
Am kommenden Montag wird das Präsidium der SPD darüber entscheiden, mit welchem Standpunkt die Sozialdemokraten in das Allparteiengespräch am 27. September gehen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Hans-Jochen Vogel wandte sich gestern noch einmal gegen eine Grundgesetzänderung. Die SPD-Fachgruppe unter dem Vorsitz der stellvertretenden Vorsitzenden Herta Däubler-Gmelin arbeitet an Vorschlägen, wonach die Verwaltungs- und Gerichtsverfahren vereinfacht werden sollen. Überdies erwägt sie, Sammelunterkünfte in sehr viel größerem Ausmaß zu fordern. Ferdos Forudastan
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