: Diepgen-Rede nach der Kritik geändert
■ Ostberliner Politiker warfen Regierendem Bürgermeister »Arroganz« vor Diepgen wollte vor dem IOC die Beseitigung von DDR-Spuren ankündigen
Berlin. Eine Rede, die der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen am gestrigen Abend vor dem Exekutivkomitee des IOC halten wollte, hat gestern vorab für Aufregung im Rathaus Schöneberg gesorgt. In Diepgens Redemanuskript hieß es: »Wir stehen am Anfang einer neuen Periode der Geschichte. Wenn Sie durch unsere Straßen gehen, werden Sie es kaum glauben: Im Jahre 2000 werden wir die meisten äußerlichen Spuren der Deutschen Demokratischen Republik beseitigt haben.« Vor allem aus der Ostteil der Stadt stammende Politiker warfen Diepgen »Arroganz« vor. Als Reaktion auf die Kritik nahmen Diepgens Redenschreiber den Satz aus dem Manuskript.
Zuvor hatte Uwe Lehmann, der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/ Grüne, Diepgens Tonfall als »von oben herab« und »arrogant« kritisiert. »Die Menschen werden als äußerliche Spuren übrigbleiben«, fügte Lehmann hinzu. Es gebe »auch äußerliche Spuren der Bundesrepublik, die beseitigt werden müßten«.
Auch Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) distanzierte sich von der Diepgen-Rede. Der Regierende Bürgermeister sei eigentlich »einer der wenigen im Senat, der wirklich Sensibilität für den Osten entwickelt hat«, meinte Krüger. Er könne sich deshalb »nur vorstellen«, daß der Redenschreiber »zu sehr durch die West-Brillengläser« geschaut habe. Die äußerlichen Spuren der DDR dürften nicht mit »Westberliner Abdrücken« überdeckt werden, sagte Krüger. »Das Verschwinden des DDR-Systems wird auch an West- Berlin nicht spurlos vorübergehen«, erklärte der Jugendsenator.
Der stellvertretende Senatssprecher Eduard Heußen hatte die Kritik zunächst zurückgewiesen. Mit der Rede, die Diepgen auf Englisch halten sollte, sei Arroganz »überhaupt nicht beabsichtigt«. Der Zusammenhang mache deutlich, daß es »um das Äußerlichste der Äußerlichkeiten« gehe, nicht aber um Dinge wie »Mentalitätsunterschiede«.
In seiner Rede sagte Diepgen weiter, im Jahr 2000 werde Berlin »das Tal der Tränen passiert haben, das uns jetzt noch plagt: Arbeitslosigkeit, Zukunftsangst und dem Haß auf das Versagen von gestern«. In Europa werde Deutschland eine »starke Rolle spielen, als Wirtschaftsmacht, aber auch als politische Kraft, geläutert durch das Leid zweier Kriege, verantwortungsbewußt angesichts der Zerstörungskraft der Waffen und der Technologie des Industriezeitalters«.
Diepgen äußerte sich auch zu den Anti-Olympia-Demonstrationen. Diese Proteste stammten von einer »Minderheit«, betonte der Regierende Bürgermeister. Sie solle sich jedoch »ausdrücken können«.
Berlin wolle Olympische Spiele »auf hohem technischen Niveau, das heißt, angepaßt an die Bedürfnisse der Menschen und verträglich mit Sport und Natur« ausrichten. »Umwelt und Sport«, so der Regierende Bürgermeister, »sollen kein Gegensatz sein.« hmt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen