Was ist gefährlicher — ein Zeckenbiß oder eine Impfung?

■ Ärtzezeitung: „Gerede über Nebenwirkungen dieser hervorragenden Impfung unsinnig“

Im Zecken-Artikel vom 10.9.1991 wird zwar vor den Risiken einer Zecken-Impfung gewarnt, aber nicht ausführlicher darauf eingegangen. Deshalb hat die Autorin dieses Thema noch einmal aufgegriffen: Wie bekannt, können Zecken die Virus-Infektion „Frühsommer-Meningoenzephalitis“ (FSME) übertragen, die zur Hirnhautentzündung führen kann. Die vorbeugende Impfung führte zu panikartiger Nachfragen des FSME-Impfstoffs. Dem Berliner „Netzwerk der gegenseitigen Information“ und dem Paul-Ehrlich- Institut (Bundesamt für Sera und Impfstoffe) in Langen sind seit August 1988 gehäuft neurologische Komplikationen nach „FSME-Immun“-Gabe bekannt geworden. Patienten berichteten von leichten Kopf- und Nackenschmerzen, Krampfanfällen, leichten Beugelähmungen an einzelnen Fingern des geimpften Armes sowie vereinzelt von schwerer Neuropathie, zumeist als Lähmung der Augenmuskeln. Bei einer abschließenden Beurteilung ist das Paul-Ehrlich-Institut jedoch noch vorsichtig. Die Dementis der 'Ärzte- Zeitung‘ vom Juni diesen Jahres, daß „jedes Gerede über Nebenwirkungen dieser hervorragenden Impfung nicht nur unsinnig, sondern auch unverantwortlich“ sei, klingen in diesem Zusammenhang wenig glaubhaft. Das „Netzwerk“ schätzt das Risiko, daß eine FSME-Impfung bleibende Schäden verursacht, sogar auf mindestens 1:32.000 — die Dunkelziffer nicht mit einbezogen.

Vergleichsweise harmloser erscheint die Gefahr einer bleibenden Schädigung nach einem Zeckenbiß — in Epidemiegebieten, nach ärztlichen Berechnungen, 1:78.000. Rund zwei Drittel der Infektionen verlaufen ohne klinische Symptome, in 10 Prozent der Fälle wird das Nervensystem in Mitleidenschaft gezogen. Als Epidemiegebiete innerhalb der BRD gelten lediglich Niederbayern und Teile von Baden-Württemberg. Doch auch dort ist nur jede 900. Zecke mit dem FSME-Virus durchseucht. In den neuen Bundesländern, die mal als Epidemiegebiet ausgewiesen waren, werden nur „Restaktivitäten“ verzeichnet, die meisten Naturherde sind dort erloschen. Das Potsdamer Zentralinstitut für Hygiene und Mikrobiologie hält eine Impfung für nicht erforderlich.

Einig sind sich die Experten lediglich darüber, daß eine Prophylaxe für Risikogruppen, etwa Forstpersonal, sinnvoll ist, die sich regelmäßig in den Epidemiegebieten aufhalten. Auch der Impfstoff-Hersteller „Immuno-GmbH Heidelberg“ hat nach Meldungen über Impfschäden mit Dauerfolgen inzwischen den Beipackzettel geändert. Die Indikation wurde auf Personen „eingegrenzt“, die sich dauernd oder vorübergehend in FSME-Naturherden aufhalten. Ein „ursächlicher Zusammenhang“ zwischen Impfung und den aufgetretenen Symptomen kann, dem Vertreiber nach, nicht nachgewiesen werden. Ute Hörrmann