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In Norwegen verhört der Mossad mit

Palästinensische Asylbewerber von getarnten israelischen Agenten ausgefragt/ Mißtrauischer Flüchtling deckt Zusammenarbeit auf/ Repressalien gegen Familienangehörige befürchtet  ■ Aus Oslo Reinhard Wolff

Israels Geheimdienst Mossad hörte mit, wenn in den vergangenen Jahren palästinensische Flüchtlinge in Norwegen über ihre Vergangenheit in der PLO oder anderen palästinensischen Organisationen berichteten. Mossad-Agenten durften ungehindert Fragen stellen. Die Flüchtlinge waren in dem Glauben, ihre Befrager seien norwegische Polizeibeamte, die alle Auskünfte vertraulich behandeln würden.

Heraus kam die skandalöse Zusammenarbeit zwischen norwegischem und israelischem Geheimdienst durch einen Zufall. Einem Flüchtling war aufgefallen, daß der „Norweger“, der ihn verhörte, über erstaunliches Detailwissen verfügte und arabisch mit leicht israelischem Akzent sprach. Der Flüchtling, auch des Norwegischen mächtig, stellte seinem Gegenüber einige Fragen auf norwegisch, die der „Norweger“ nicht verstand. Ein von dem Flüchtling informierter Rechtsanwalt brachte die Geschichte ins Rollen, ein Journalist der Tageszeitung „Aftenposten‘ recherchierte das gesamte Ausmaß der Affäre. Das Ergebnis: Eine seit Jahren übliche geheime Zusammenarbeit, die weit über die bekannten engen Verbindungen des Mossad zu westlichen Geheimdiensten hinausgeht.

Die norwegische Regierung hat die Sache inzwischen zugegeben. Die sozialdemokratische Justizministerin Kari Gjesteby erklärte am Mittwoch, daß die Mossad-Agenten bei den Verhören völlig freie Hand hatten. Kein der arabischen Sprache mächtiger norwegischer Beamter war anwesend, die Verhöre wurden nicht mitgeschnitten, sondern lediglich von den israelischen Agenten aufgezeichnet.

Die Ministerin gab zu, daß dadurch palästinensische Flüchtlinge, darunter auch PLO-Abtrünnige, ihrem „Feind“ gegenüber saßen. Möglicherweise hätten dabei auch Versuche zur Anwerbung von Palästinensern für den Mossad stattgefunden, sagte Gjesteby.

In palästinensischen Kreisen sorgen die Informationen für Unruhe. Flüchtlinge aus Jordanien und Tunesien befürchten, daß ihre zurückgelassenen Familien jetzt in Gefahr sind. Ein Asylbewerber: „Für die PLO genügt es, mich auf die Todesliste zu setzen, weil ich — wenn auch ohne es zu wissen — mit einem israelischen Geheimdienstmann gesprochen habe.“

Auch RechtsanwältInnen, die Asylbewerber vertreten, zeigten sich empört. Die Regierung verlange volle Offenheit über die politische Vergangenheit von Flüchtlingen. Wenn diese aber nicht sicher sein könnten, daß ihre Angaben auch vertraulich behandelt würden, führe das zu einer Aushebelung des Asylrechtes. Ein Anwalt äußerte den Verdacht, die norwegische Regierung wolle mit der jetzt bekanntgewordenen Praxis palästinensische Flüchtlinge davon abhalten, überhaupt in Norwegen Asyl zu beantragen.

Die Justizministerin will — wie die norwegische Regierung insgesamt — rein gar nichts von den Aktivitäten ihres Geheimdienstes gewußt haben. Sie selbst sei vom Chef des Geheimdienstes erst am Mittwoch informiert worden, erklärte Gjesteby. Der Geheimdienst habe ihr gegenüber die Zusammenarbeit mit „technischen Problemen“ gerechtfertigt: Es hätten keine arabischen Dolmetscher zur Verfügung gestanden, auch habe es nicht ausreichend geschultes Personal gegeben, um die Angaben der Asylsuchenden zu überprüfen.

Hinter den Kulissen wurde unterdessen eine andere Erklärung für den Skandal kolportiert: Aus Furcht vor palästinensischen Terroranschlägen gebe es seit Jahren eine enge Zusammenarbeit zwischen den skandinavischen Geheimdiensten und dem Mossad. Als Gegenleistung für die Mossad Informationen über PLO-Interna hätten sich die Norweger mit der Zulassung der Israelis zu den Verhören revanchiert. Dabei hätte der Mossad dann Gelegenheit gehabt, ungestört neue Agenten anzuwerben.

Neben einer erwarteten Ablösung der für die Aktion zuständigen norwegischen Geheimdienstführung wird in Oslo nun damit gerechnet, daß die Regierung allen Palästinensern, die Mossad-Verhören ausgesetzt waren, ohne Prüfung anderer Asylgründe Asyl gewährt. Von Abgeordneten ihrer eigenen Partei wurde die Regierung außerdem aufgefordert, sich offiziell beim UN- Hockommissariat für Flüchtlinge für die Aktion zu entschuldigen und sicherzustellen, daß sich ähnliches in Zukunft nicht wiederholen kann. Bei den palästinensischen Flüchtlingen selbst entschuldigte sich Justizministerin Gjesteby bereits in aller Form.

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