: Mit Sprechfunk und Video gegen Ausländer
Serie brutaler Übergriffe rechtsextremistischer Gangs auf Ausländer in Dresden/ Neonazis zunehmend organisiert ■ Aus Dresden Detlef Krell
Rassismus, der sich in Aggressionen gegen Ausländer auf offener Straße Luft macht, ist Alltag. Fast regungslos quittiert die Öffentlichkeit in ostdeutschen Landen die immer brutaleren Angriffe rechtsextremistischer Gangs gegen AusländerInnen.
Im Dresdner Stadtteil Pieschen wurde die 32jährige Vietnamesin Hoang Thi Vinh am hellichten Tag in ihrer Wohnung überfallen. Neun Maskierte traten die Wohnungstür ein, stürmten das Zimmer und rissen die im 6. Monat schwangere Frau zu Boden. Mit Füßen traten sie ihr in den Bauch und ins Gesicht. Die Hilfeschreie der jungen Frau verhallten ungehört. Als die Polizei erschien, waren die Täter längst verschwunden. Daß Thi Vinh und ihr ungeborenes Kind diesen Angriff überlebt haben, grenze an ein Wunder, resümierten die Ärzte.
Die junge Vietnamesin war in Dresden zur Facharbeiterin ausgebildet worden. Wie ihr Mann ist auch sie jetzt arbeitslos. Um ihr Überleben zu sichern, handelt sie mit Zigaretten. Schon zweimal ist sie an ihrem ambulanten Zigarettenstand von jungen Deutschen angegriffen worden. Beim ersten Überfall waren die Täter mit Sprechfunkgeräten ausgerüstet, den zweiten Überfall filmten sie mit einer Videokamera. Auch als ihr Mann in der Wohnung überfallen wurde und die Täter Geld und Wertsachen mitnahmen, erstatteten sie keine Anzeige. Erst nach dem vierten Überfall ergriff die Polizei die Initiative und nahm die Ermittlungen auf. Nur eine halbe Stunde vor dem Überfall auf Hoang Thi Vinh hatten Rechtsextremisten einen Mosambikaner angegriffen und mit einer Gasdruckpistole am Kopf verletzt. Offenbar sind sie dann von „Kameraden“ auf die Wohnung der beiden Vietnamesen hingewiesen worden. Erst nach einer halben Stunde nach dem Überfall auf Thi Vinh wurden die Täter auf dem Neustädter Bahnhof, immer noch in der Nähe der Tatorte, festgenommen.
Mit Video und Sprechfunk ausgerüstet waren auch die Täter, die unbehelligt im Neubaugebiet Prohlis einen vietnamesischen Gemüsehändler angriffen. Gefilmt habe ein 40- bis 50jähriger Mann, berichteten Zeugen. Am Hauptbahnhof müssen ausländische Gemüsehändler an eine Gruppe Skins Schutzgeld zahlen. Anzeige erstatten die VietnamesInnen nicht, da sie Angst vor der Rache der Rechten und kein Vertrauen zur Polizei hätten, erklärte die Dresdner Multi-Kultur- Initiative. Denn in der Regel seien nur VietnamesInnen, die keine Aufenthaltsgenehmigung haben, auf den ambulanten Handel angewiesen. Ohne Rechtsschutz seien sie den Angriffen der Rechtsextremisten ausgeliefert. „Sowohl gegenüber den Flüchtlingen als auch gegenüber den jungen Rechtsextremisten wäre es längst an der Zeit, öffentlich über die Ursachen der Situation zu sprechen“, so ein Vertreter des Ökumenischen Begegnungszentrums Cabana. Statt dessen ruft Sachsens Innenminister nach mehr Polizei und einem neuen Asylrecht. Das Boot sei voll, in diesem Sinne soufflierten die regierenden Politiker des Freistaates bei einer aktuellen Debatte im Landtag erneut die Parolen des Fremdenhasses. Volker Bandmann (CDU) fand den Kurs der Regierung „zur möglichst reibungslosen und schnellen organisatorischen Bewältigung der immer stärker ansteigenden Flut von Asylbewerbern“ für richtig. Größtes Problem sei der „Unmut“, der sich in der Bevölkerung anstaue. Es seien „meistens“ Rechtsradikale, die AusländerInnen und AsylbewerberInnen überfielen. Um den Radikalen nicht „das Feld zu überlassen“, fordert die CDU-Fraktion „Instrumentarien“, die es ermöglichen, „den großen Strom der sogenannten Wirtschaftsasylanten einzudämmen“. Immerhin, aber davon sprach Bandmann vor dem Landtag nicht, hatte die Dresdner Polizei schon einmal „den Radikalen das Feld überlassen“, als diese auf der Prager Straße gegen die kriminellen Hütchenspieler vorgingen und den unverhohlenen Beifall vieler DresdnerInnen einheimsten. Bandmann skizzierte die CDU-Vorstellungen über einen neuen Arikel 16 des Grundgesetzes. Danach sollen Antragsteller aus sogenannten Nichtverfolgerstaaten vom Asylverfahren ausgeschlossen und abgeschoben werden. Selbstverständlich müsse „der Kern des Artikel 16 “ erhalten bleiben. Wenn auch eine Änderung des Asylrechts das „Flüchtlingsproblem kurzfristig lindert“, bedürfe es doch globaler Lösungen in puncto Rechtsextremismus, vermerkte Bandmann. Wie diese sich jedoch gestalten könnten, blieb unbeantwortet.
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