Mit den Spähern des Feindes spioniert

■ Der BND agierte in der Vergangenheit, was Interna der EX-DDR anging, nicht gänzlich ohne Erfolg

Berlin (taz) — Im Rennen um Platz eins auf der Hitliste der Spionagedienste gilt der Bundesnachrichtendienst (BND) gemeinhin als einer der langsameren Teilnehmer. Das heißt aber nicht, daß die Pullacher Behörde in der Vegangenheit gänzlich ohne Erfolg agierte. Auch wenn das nachrichtendienstliche Gegenüber, das allmächtige Ostberliner Ministerium für Staatssicherheit (MfS), über Jahre hinweg in nahezu allen Schlüsselpositionen des BND vertreten war, konnte der bei München angesiedelte Dienst Interna aus dem anderen deutschen Staat berichten. Möglich machten dies in erster Linie die elektronische Funkaufklärung und die Überwachung des Postverkehrs. Die Dienststellen des BND residierten dabei unter kurios anmutenden Namen. Übergreifend wurden und werden BND-Einrichtungen zum Beispiel unter der Legende „Bundesvermögensverwaltung, Abteilung Sondervermögen“ geführt.

DDR-Authentisches erlangte der BND insbesondere über die Abhörung des Richtfunknetzes der allgegenwärtigen Staatspartei SED. Über diesen Kanal erzielten die Lauscher Nachrichten über den Zustand der maroden DDR-Wirtschaft, denn über die Funkstrecken wurde SED-Wirtschaftsboß Rudi Mittag landesweit mit Details aus den Kombinaten versorgt. Auch der allgemeine Parteiinformationsdienst der SED wurde über dieses Netz abgewickelt. Kuriosität am Rande war, daß die News auf Umwegen wieder auf die Schreibtische der Partei- und Staatsführung gelangten. Waren die Infos von den Ost-Experten des BND einmal ausgewertet, flossen sie in die „Kanzler-Lage“ ein, die der Dienst regelmäßig für seinen obersten Arbeitgeber erstellte. Und die wiederum bekam Stasi-Chef Erich Mielke noch vor Helmut Kohl zu lesen: eine Mitarbeiterin der Stasi in den Reihen des BND machte es möglich.

Der Bundesnachrichtendienst versuchte aber auch, „Quellen“ im Partei- und Staatsapparat der DDR anzuwerben. Das Verhältnis dieser „agenturischen Aufklärung“ (human intelligence) fiel vergleichsweise zur elektronischen Aufklärung (signal intelligence) geringer aus. Die Pullacher bedienten sich dabei zunehmend einer Methode, die sie „Umweganbahnung“ nannten. Angesprochen wurden DDR-BürgerInnen, die sich im „nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet“ (NSW) aufhielten. Für den BND war dies nicht nur einfacher, weil er nicht ins Feindesland mußte. Die Methode hatte den Vorteil, daß es sich bei den Ausgeguckten um Reisekader oder Diplomaten handelte, auf die in der DDR in aller Regel eine Karriere im Partei- oder Staatsapparat wartete. Spekuliert wurde auch auf den „Konsumschock“, dem die potentiellen späteren Mitarbeiter im Wohlstandsstaat BRD ausgesetzt waren. Half dies alles nichts, half der West-Dienst auch schon mal nach. Einige Fälle sind verbürgt, in denen DDR-Bürgern ein Ladendiebstahl untergejubelt wurde. Über die Kette Kaufhaus-Polizei-Nachrichtendienst rekrutierte der Bundesnachrichtendienst so einige Mitarbeiter. Dem mit BND-Interna vertrauten MfS blieb dies aber nicht verborgen. Gemäß dem Motto „Ich weiß, daß du weißt, daß ich was weiß“ schickte Mielkes Truppe eigene Späher, die sich vom BND werben ließen, um so die Rekrutierungspraxis zu erkunden. Genutzt hat die ganze Spioniererei letztlich nicht. Das Ministerium für Staatssicherheit konnte den Niedergang der DDR nicht verhindern, der BND wurde von der Wende völlig überrascht. Wolfgang Gast