: Überlebenslust: Die britischen Grünen wollen sich reformieren
■ Aus Dublin Ralf Sotscheck
Die britischen Grünen kämpfen ums Überleben. Um die Partei vor dem Untergang zu retten — bei Meinungsumfragen lag sie zuletzt bei nur noch zwei Prozent der Stimmen —, hat sich eine Realo-Fraktion mit dem Namen „Green 2000“ gegründet, die auf dem Parteitag in Wolverhampton heute ein Reformpaket zur Abstimmung vorlegt. Ziel ist ein „Parlamentsmandat für grüne Politik im Jahr 2010“.
Um das zu erreichen, soll die Partei hierarchisiert werden: An der Spitze sollen zwei Parteichefs (ein Mann und eine Frau) und ein neunköpfiger Parteivorstand stehen, der von einem Regionalrat beraten wird. Darüber hinaus sollen in Zukunft nur noch Delegierte auf dem Parteitag Stimmrecht haben. Bisher durfte jedes anwesende Mitglied die Hand heben.
Der Reformantrag ist bereits auf heftigen Widerstand gestoßen und hat eine Flut von 150 Zusatzanträgen ausgelöst. Kritiker werfen „Green 2000“ vor, einen Putsch zu planen. Die Posten der Parteichefs seien offensichtlich auf Sara Parkin und Jonathon Porritt, den ehemaligen Direktor von „Friends of the Earth“, zugeschnitten. Beide gehören seit dem überraschenden Erfolg bei den Wahlen zum Europäischen Parlament vor zwei Jahren zu den prominentesten Grünen.
Damals konnte die Partei noch 15 Prozent der Stimmen gewinnen — aufgrund des britischen Wahlsystems jedoch keinen einzigen Sitz. Seitdem ging es ständig bergab. Die Zahl der Mitglieder fiel von 18.000 auf knapp 12.000, und im vergangenen Winter standen die Grünen kurz vor der Pleite. Kaum hatte sich die Finanzlage etwas gebessert, da gerieten sie schon wieder in die Krise: David Icke, der redegewandte Parteisprecher, entdeckte plötzlich, daß er ein „Botschafter Gottes“ sei. Er verließ die Grünen im Frühjahr und betätigte sich fortan als predigender Messias.
Falls das Reformpaket heute abgelehnt werden sollte, wird sich der Auflösungsprozeß der Grünen rapide beschleunigen. Die Architekten von „Green 2000“ haben bereits angekündigt, daß sie in diesem Fall die Partei verlassen werden. Für eine vorübergehende Verbesserung der Stimmung auf dem Parteitag sorgten ausgerechnet die Liberalen. In einem offenen Brief forderten sie die Grünen auf, ihre 247 Kandidaten für die nächsten Parlamentswahlen zurückzuziehen. Sie hätten ohnehin keine Chance und würden den Liberalen Stimmen wegnehmen, die zur Durchsetzung der Wahlreform und der „umweltbewußten Politik der Liberalen“ dringend benötigt würden. Die Veröffentlichung des Briefes löste einen von der Realität völlig ungetrübten Optimismus aus: Die Grünen träumen nun davon, selbst Zünglein an der Waage zu spielen.
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