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Die Rasselbande und der Teddybär

Weil Eric Jelen im Doppel auftrumpfte, konnte das deutsche Team auf 1:2 verkürzen und die Entscheidung im Halbfinal-Match des Davis Cups gegen die USA bis zum Schlußtag hinauszögern  ■ Aus Kansas City Peter Unfried

Scott Davis brachte die Sache auf den Punkt. „Die hatten jedesmal den richtigen Ball zur richtigen Zeit, und unsere waren halt immer die berühmten Zentimeter zu kurz.“ Oder zu lang. Jedenfalls besiegte das heißdiskutierte Doppel Michael Stich/ Eric Jelen die nicht minder heißdiskutierten Amerikaner Scott Davis und David Pate in der Kemper-Arena von Kansas City in kürzestmöglichen drei Sätzen mit 7:6 (7:3), 6:4, 6:4 und hielten damit zumindest theoretisch die Möglichkeit bis Sonntag nacht offen, doch noch ins Davis-Cup-Finale Ende November gegen Frankreich einzuziehen.

Und Überraschung — der Matchwinner war „Ausgerechnet-Eric“ Jelen. Niki Pilic hatte sich gegen Riglewski und dessen eingespieltes Duo mit Stich und für den erfahrenen Davis-Cup-Veteranen Jelen entschieden und lag richtig. Während der Wimbledonsieger an Erics Seite, der diesmal nicht Boris hieß, erneut unter Möglichkeiten und Würde spielte, lief der brave Neusser zu Hochform auf. „So konstant gut habe ich selten Doppel gespielt“, bemühte das Temperamentsbündel im Anschluß wahre Superlative.

Die statistikbesessenen Amerikaner brauchten nach einer Erklärung für den Sieg nicht lange zu blättern. Jelen/Stich sind ein im Davis Cup ungeschlagenes Doppel (4:0 Siege), da konnte eigentlich nichts schief gehen. Zumal ihre Gegner Davis/Pate zwar das beste US-Doppel sein mögen, aber keinerlei Davis-Cup-Erfahrung hatten und auf Asche schon gar nichts taugen. Das gab einen fetten Minuspunkt für Teamkäptn Tom Gorman, der trotz aller gutgemeinten Warnungen der US-Presse an den Nieten festgehalten hatte. Immerhin: Gorman hatte sich nach einem lauten Auftaktfreitag beim Schiedsrichter über den Einsatz der gemeinen Rasseln beschwert, die die Germanen permanent zwecks Einschüchterung seiner Buben lärmen ließen, und einen Erfolg errungen. Die Rasselbande wurde ermahnt!

Außerdem dachte der vergnügt in sich hineingrinsende Gorman ohnehin, daß das Doppel bloß ein Muster ohne Wert sei: „Andre Agassi hat am Freitag außergewöhnlich gut gespielt, und ich sehe keinen Grund, warum er das am Sonntag nicht wieder tun sollte.“ Michael Stichs Versuch, mit einem Sieg über den teddybärigen Andre mal was für die Nation zu tun, hatte am Freitag genau zwei Minuten gedauert. Dann hatte der vermeintliche Bubi aus Las Vegas ihm bereits Aufschlag und Schneid abgekauft. Mit knallharten Rechten an und um den Kopf des blaß und blässer werdenden Mike, trieb Agassi die Nummer fünf der Weltrangliste bis in die Zuschauerränge, machte aus schwierig zu spielenden Bällen „winner“ und drosch jede Vorhand übers Netz, als wäre es seine letzte. Agassi schaffte nicht nur Mike mit 6:3, 6:1, 6:4, er schaffte auch den Ball. Beide gaben klein bei und verkrümelten sich.

„Andre war einfach zwei Klassen besser als ich“, verkündete der Mann, der in Wimbledon Boris schlug, gar nicht einmal sehr geknickt. „So chancenlos bin ich bis jetzt noch in keinem Match gewesen. Das muß ich akzeptieren, deshalb ist auch die Enttäuschung nicht so groß.“ Andre, der Angezweifelte, der immer dann versagte, wenn es drauf ankam, erwies sich als zweiter Lothar Matthäus, ein Orkan mittlerer Stärke und allererster Güte, der „nur“ Tennis spielte, das aber perfekt.

Erst als alles vorbei war, gab's als Zugabe die „Andre-Show“ mit wilden Verrenkungen, Gesten und, als Höhepunkt, der Entblößung einer haarigen Chickenbreast, die einen Begeisterungssturm nach sich zog, der dem des Matchballs nicht nachstand. „Für jeden Ball, den ich heute gespielt habe, gab es einen guten Grund“, sprach der Geläuterte, der früher „hoffte, daß die Dinge gut für ihn ausgehen würden“. „Heute sorge ich selbst dafür.“

Erstere Attitüde pflegt auch der Mögglinger und Wahl-Monegasse Carl-Uwe alias Charly Steeb. Die Numero 47, das alte Lied und Leid, macht den Punkt einfach nicht. Volley, Überkopf, alles spielt Charly mit demselben „Tempo“, so daß sein Gegenüber Jim Courier (Dritter der Weltrangliste) ohne große Mühe selbst aus vermeintlichen Charly-Attacken „winner“ basteln konnte. Nicht, daß Charly schlecht gespielt hatte, er rackerte „mit Sicherheit an der oberen Grenze“ (Steeb), gab was er zu geben hatte, doch das reichte gegen den French-Open-Sieger auf dessen Lieblingsturf Asche nur einen Satz weit. 6:4, 1:6, 3:6, 4:6 hieß es am Ende, und dem wackeren Charly, den es „zum Schluß interessiert hätte, wie der fünfte Satz ausgesehen hätte“, sei es verraten: wie die Sätze zwei, drei und vier halt.

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