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„Existenzminimum“ für Asylbewerber

■ Asyldebatte: Schäuble will das Volk nicht länger beunruhigen/ SPD-Minister Heinemann will Hilfe für Flüchtlinge auf das Existenzminimum begrenzen/ Lambsdorf: „Mißbrauch“ abwehren

Berlin (taz/dpa/ap) — Die Angriffe gegen Flüchtlinge nehmen rapide zu — und Bundesinnenminister Schäuble mahnt, daß eine weitere Beunruhigung in der Bevölkerung nicht länger hinzunehmen sei. Gemeint hat der damit „eine Behebung des Notstands in den Städten und Gemeinden“ durch die vielen Asylsuchenden. Auch im Interesse der „ausländischen Mitbürger“, so Schäuble, müsse der Streit um eine Verschärfung des Asylrechts jetzt beendet werden, „damit wir ein ausländerfreundliches Land bleiben“.

Abgesehen vom Bündnis 90 und einem einsamen SPD-Abgeordneten fand sich am Wochenende kein Bundespolitiker, der eine Stellungnahme zu den Überfällen im sächsischen Hoyerswerda abgab. Statt dessen wurde die Asyldebatte weiter angeheizt. Nach Ansicht von FDP-Chef Lambsdorff müssen Bonn und vor allem die Länderregierungen jetzt „handeln, entscheiden und Mißbrauch“ abwehren. Der baden-württembergische FDP-Vorsitzende Roland Kohn forderte die CDU auf, mit der „Geisterdiskussion um eine Verfassungsänderung“ Schluß zu machen. Die Runde bei Bundeskanzler Helmut Kohl werde zeigen, ob die Christdemokraten die Asylproblematik als Wahlkampfinstrument mißbrauchten, meinte Kohn.

Der nordrhein-westfälische Sozialminister Hermann Heinemann (SPD) forderte eine Kürzung der Sozialhilfe für Asylbewerber und zentrale Bundeseinrichtungen für die Erstaufnahme der Flüchtlinge. Gemessen am Lebensstandard der Herkunftsländer sei die jetzige Sozialhilfe „sehr hoch“ und reize zum Mißbrauch des Asylrechts. Die finanzielle Hilfe für Asylbewerber sollte deshalb „auf das Existenzminimum“ begrenzt werden. Der Düsseldorfer Minister schlug vor, per Gesetz Sachleistungen den Vorzug vor Geldzahlungen zu geben und die Betreuung vor allem für Kinder zu sichern. In einem Papier für die SPD- Fraktion im Düsseldorfer Landtag verlangt der Minister, das Prüfungsverfahren zu ändern: Asylbewerber sollten zunächst in zentralen Bundeseinrichtungen aufgenommen werden. „Dabei müssen jene, die keine echten Fluchtgründe vortragen, sofort abgeschoben werden“, sagte Heinemann.

Der rheinland-pfälzische Justizminister Caesar sprach sich gegen den Vorschlag des CDU-Politikers Rupert Scholz aus, Asylämter an den Grenzen einzurichten. Jeder Flüchtling habe einen Anspruch auf inhaltliche Prüfung seines Asylgesuchs, sagte der FDP-Politiker. Er wies darauf hin, daß zur Einrichtung von Asylämtern an den Grenzen jeder Grenzübergang über Beamte des Bundesamtes verfügen müßte, über Richter, Rechtsanwälte und Dolmetscher. „Es ist dabei sehr fraglich, ob dies im Schnellverfahren von sogenannten Grenzrichtern erledigt werden kann.“

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