: Unterwegs sind wir immer
■ Ungefähre Reiseblicke per Foto und Video / In der Angestelltenkammer
hierhin bitte
das Fernsehbild
mit Möve
(fliegt nach oben)
Mit ein bißchen Elektronik schaut die Karibik aus wie neu: Digitalisierte Reiseszene von Harry Herrmann. (Detail aus einem Standfoto von „Just a Cybertrip“
“Die sind ja alle verwackelt“ sagte in diesen Tagen schon mancher Besucher über die Fotografien in der Angestelltenkammer. Aber wer weiß schon, wie verwackelt die eigene Wahrnehmung ist? „Unterwegs“ ist der Titel einer Ausstellung von Arbeiten der Fotografin Tine Herrmann, entstanden im Frühjahr 1990 auf ei
ner Insel in der Karibik. Die verwischte Unschärfe ist ein Ergebnis des Fotografierens aus der Bewegung. In einem langwierigen Prozeß des Suchens und Versuchens entschied sich Tine Herrmann dazu, aus der Hand zu fotografieren, ohne durchs Objektiv zu schauen. So stellt sie das übliche Sehen in Frage — und verlagert es in die Hand.
Beim genauen Hinsehen entdeckt man in den matten, großformatigen Schwarzweiß-Fotografien Spuren von farbigen Schlieren. Diese zusätzliche Verfremdung erreicht die Fotografin, indem sie die Vorlagen mit einem Farbkopierer bearbeitet.
Menschen scheinen auf Straßen und Plätzen dahinzuhuschen,
Das verschwommene Sehen aus der Hand
auf weiten Hügeln biegen sich Palmen im Wind. Ihre Eindrücke auf der fernen Insel gleichen Einblicken ins Unbewußte, in vage Gebiete der Wahrnehmung und des Bewußtseins. „Unterwegs ist man immer“, schreibt sie zu ihren Fotografien, und will man Entwicklung als Reise begreifen, sind auch Blickweisen seit Menschengedenken auf Achse.
Harry Herrmanns, der sie in die Karibik begleitete, filmte unterwegs. Sein ebenfalls in der Ausstellung laufendes Video namens „Just a Cybertrip“ überarbeitete er mittels Digitalisierung und Computeranimation. Während seine Frau Tine demnächst wegen eines Stipendiums nach Paris umzieht, bleibt Harry Herrmann, Mitglied des Bremer Filmbüros, seinem Heimatort Uphusen und der Bremer Video-Szene zunächst treu. Aber wer weiß — unterwegs ist man immer. juan
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