SPD: Luthers Versuche überprüfen

■ SPD will Lektin-Versuche des Gesundheitssenators von Ethik-Kommission durchleuchten lassen »Genau die selben Vorwürfe« wie gegen die Charité/ Ärztekammer ist zur Überprüfung bereit

Berlin. Eine Ethik-Kommission sollte die umstrittenenen Lektin- Versuche prüfen, die der heutige Gesundheitssenator Peter Luther (CDU) im vorigen Jahr am Forschungsinstitut für Lungenheilkunde und Tuberkulose (FLT) geleitet hatte. Diese Forderung erhob gestern der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Reinhard Roß. Da gegen Luther nach dem taz- Bericht von gestern »genau die selben Vorwürfe« im Raum stünden wie teilweise gegen Ärzte der Charité, müßten nun auch Luthers Versuche am FLT durchleuchtet werden. Es gehe hier um »gleiches Recht für alle«, sagte Roß.

Für einen »Untersuchungsausschuß« wären Luthers Versuche »nix«, wies die Sprecherin des Gesundheitssenators, Gisela Klages, die SPD-Forderung zurück. Luther sei aber »bereit, zu allen Fragen Stellung zu nehmen«, wenn das Bundesgesundheitsamt den Fall untersuchen sollte. Falls ein Auftrag der Senatsgesundheitsverwaltung erginge, wäre aber auch die Leiterin der Ethik-Kommission der Ärztekammer, Professorin Ruth Mattheis, nach eigenen Worten »selbstverständlich bereit«, tätig zu werden. Sie hatte als Leiterin einer von Luther eingesetzten Ethik-Kommission vor knapp zwei Wochen einen Bericht über Arzneimitteltests an Ostberliner Kliniken vorgelegt. Dabei waren auch zwei Versuche an Luthers Institut überprüft worden. Luthers Name sei nur »am Rande« aufgetaucht, sagte Mattheis. Die Lektin-Versuche seien nicht überprüft worden.

Luther hatte im letzten Jahr, wie gestern berichtet, einen Versuch geleitet, bei dem er selbst und sieben weitere Institutsmitarbeiter Kapseln mit dem Lektin WGA geschluckt hatten. Daß eine Genehmigung der DDR-Behörden fehlte, begründet der Senator heute damit, es habe sich bei den Lektinen nicht um Arzneimittel, sondern um Lebensmittel gehandelt. Zudem, so gestern Luthers persönlicher Referent Wolfgang Erichson habe es sich bei den Probanden um ein »Forscherteam« gehandelt, das einen Selbstversuch vorgenommen habe.

Erichson konnte jedoch nicht erklären, warum nur vier der acht Versuchsteilnehmer mit eigenem Namen in den Veröffentlichungen auftauchten. Unter den vier anderen Probanden sind eine medizinisch- technisch Angestellte (MTA), sowie drei Mediziner, die nach Angaben des FLT nicht in der Forschung, sondern in der Betreuung tätig sind. Wenn es sich — was Luther bestreitet — um einen Arzneimittelversuch gehandelt haben sollte, wäre es nach dem Arzneimittelgesetz der DDR ohnehin unerheblich gewesen, ob die Präparate im Selbstversuch eingenommen wurden.

Welche Konsequenzen es für Luther hätte, wenn eine Prüfung ergeben sollte, daß es sich bei der Lektin- Studie um eine ungenehmigte Arzneimittelstudie handeln sollte, blieb gestern offen. Nach dem heute in Berlin geltenden Recht verletzt ein Arzt in diesem Fall seine »Standespflicht«. Was für den Fall eines Nicht-Mediziners wie Luther gelten würde, konnte Mattheis gestern nicht sagen. hmt