: HEILT HOYERSWERDA Von Mathias Bröckers
Der Duft der großen weiten Welt, „Peter Stuyvesant“, kommt in den neuen Bundesländern nicht so richtig an — der Hersteller hat das testen lassen und gefunden, daß es an der Werbekampagne liegt: Mit „Come together“ und den zum grenzüberschreitenden Giftstengel einladenen Multi-Kulti- Gesichtern haben die Ex-Zonis nichts am Hut. Eine Umfrage des Tabakkonzerns ergab: die Bewohner der neuen Bundesländer sind weder auf Besuch aus anderen, fremden Kulturen scharf, noch verspüren sie größeres Interesse, ihrerseits exotische Länder und Lebensweisen kennenzulernen. Auch die 500 „unbescholtenen“ Bürger, die sich in Hoyerswerda zur Lynchjustiz gegen Ausländer zusammengerottet haben, pfeifen auf den Duft der großen weiten Welt — Ausländer stinken ihnen einfach. Die sanfte Revolution hat
die Fratze des wildgewordenen Kleinbürgers zum Vorschein gebracht, und fast muß man Stasi-Erich schon wieder dankbar dafür sein, daß sie dieses Pack unter ihrer beinharten Knute gehalten haben. Allein, ihre Methode, einfach den Deckel auf den Topf zu drücken, ist letztlich untauglich. Und so notwendig stärkste Polizeiaufgebote zur Niederschlagung des Mobs sein mögen, so wenig läßt sich mit polizeilichen und juristischen Mitteln auf Dauer etwas machen. Wenn sie wild werden, hilft nur strikte Gegengewalt, ansonsten aber sind die Helden von Hoyerswerda ein Fall für den Psychiater. Das heißt, eigentlich sind sie ein Fall für die Reisebüros, und wäre Kurt Biedenkopf so ein pfiffiger Kopf, wie ihm nachgesagt wird, hätte er längst reagiert — und sämtliche bedrohte Bewohner auf Staatskosten in den feinsten Hotels des Landes einquartiert, um diesen Luxus seinen geifernden sächsischen Helden multimedial ein paar Tage um die Ohren zu schlagen und das Fascho-Nest dann endgültig zu entvölkern: Hoyerswerda wird evakuiert und die Bevölkerung in Zwangsurlaub geschickt. Nach Mosambik, Gambia, Vietnam und in die äußere Mongolei — der „Club Med“ als Gulag, die Karibik als Umerziehungslager. Anders wird Hoyerswerda nicht zu heilen sein. Wer sich in einer zusammenwachsenden Welt weiter im nationalen Sumpf suhlen und von „Come together“ nichts hören will, muß eben fühlen. Nur so hat es ja auch der Kleinbürger im Westen geschafft: Seit er in Rimini war, sind Italiener keine „Itaker“ mehr, und nur der Urlaub in Antalya hat geschafft, aus dem „Kümmel-Türken“ den Ahmed von nebenan zu machen — und aus dem Döner eine Spezialität, für die mancher die deutsche Currywurst links liegen läßt.
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