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Bo ey

■ Manta — Der Film, keine Kritik

Höchst ungern und nur auf ausdrücklichen Wunsch der Zentralredaktion in Berlin hält sich der Berichterstatter in Essen auf. Wer sich an diesem Abend zu lange an einem bestimmten Punkt in der Fußgängerzone blicken läßt, muß damit rechnen, als Manta-Fan, zumindest aber als Manta-Sympathisant erkannt zu werden. Reines Manta-Feeling also, dieser Tage in Essen, konzentriert und mit allen Schikanen. Manta- Fahren ist wie wennze fliechst. Aber warum durch Essen? Essen ist Hauptdarstellerin. Eine Stadt als Kulisse für den ersten Manta-Film. Da kann die gebeutelte Ruhrgebietsstadt stolz sein, und sie ist es natürlich. Man kann eben auch mit dem „Mauer-Porsche“ Reklame machen, und was die Blödeleien betrifft, immerhin kann die Stadt sich mit der Manta-Macke abheben vom Grau des Ruhrgebiets. Essen soll niemand so schnell vergessen.

Diesmal ist die Stadt rechtzeitig auf einen Kult-Zug aufgesprungen. Vor dem Kino, der Lichtburg, dem größten Kino Deutschlands, so werden es die Zaun- und Premierengäste später noch mehrmals über Lautsprecher vernehmen, spielt eine Bergmannskapelle. Essen hat zwar keine Zeche mehr zur Verfügung, macht aber nichts, leiht man sich eben ein paar Knappen aus Gelsenkirchen. „Sach, wir kommen von Schalke“, sagt der Posaunist, „Schalke kennt man auch in Bayern, Gelsenkirchen nich.“ Die Kumpels von der Zeche Consolidation spielen Evergreens der Filmmusik und dann die Bergmannshymne „Glück auf, der Steiger kommt“. Aber der kommt gar nicht, sondern ein Manta.

„Bo ey“, jetzt ist er zum ersten Mal ausgesprochen, der Begriff, mit dem der Ruhrgebietler übermäßiges Erstaunen artikuliert. Mit langgezogener Endung und offenem Mund: Boaaa ey, guck ma, ein Manta, viele Mantas, fünfzig Mantas. Mindestens, wenn nich mehr. Glück auf, Glück auf, der Manta kommt. Endlich, am Kino flaniert die Mega-Manta-Monster-Parade vorbei. Tiefgelegte und zersägte, pinkfarbene Pick- Ups und natürlich der dreiachsige Mega-Manta, das schwarze Über-Ich des Manta-Fahrers.

Der Berichterstatter kann es sich einfach nicht verkneifen, beim Anblick all des Chroms, der dröhnenden Motoren, der Fuchsschwänze platzt es aus ihm heraus: Bo ey. Ein paar Friseusen, viele Mantas, ebenfalls frisiert, eine Kulturausschußvorsitzende, nein, nicht frisiert, gestylt. Ja tatsächlich. Anneliese Deter ist ins Kino gekommen, und die böse Zunge des Berichterstatters will schon wieder ansetzen und darüber lamentieren, warum sich eine Kulturausschußvorsitzende gerade zu diesem Film... Aber lassen wir das, denn Frau Deter teilt dem Kinopublikum mit, daß sie einiges über den Manta gelernt hat, „wie die Dinger aussehen“, und daß die etwas mit dem Ruhrgebiet zu tun haben. Bo ey.

Einen Manta-Witz? Nein, jetzt keinen Manta- Witz. Jetzt nicht. Lauschen wir lieber den Klängen aus dem Lautsprecher. Die Schauspieler haben ganz spontan einen Song geschrieben und auf Platte gepreßt. Das Lied besteht aus vier Wörtern: „Bo ey, Bo ey, bo, bo, bo, bo ey. Und Tschüssssss.“ Der Berichterstatter soll jetzt endlich auf den Film kommen, denn dort auf der Leinwand machen sich schließlich die wahren Gefühle für den Manta breit. Aber aber, wer wird denn gleich ein Geheimnis preisgeben. Nur soviel, wer aus diesem Film kommt, hat den Manni in sich entdeckt. Und sonst hält es Go Trabi Go- Regisseur Peter Timm mit dem Motto des ältesten Manta-Fahrers Bernhard Lammert (84): „Wein, Weib, Manta und Gesang.“ Nachher kommt man Manta-geläutert aus dem Kino und weiß gar nicht mehr, was schöner war, die rassige Linienführung der Flanken oder die bullige Ausstrahlung der Spoiler, die filigranen Lackierungen oder die poetische Namensgebung, für die der Stachelrochen Pate stand. Da bleibt einem einfach die Spucke weg. Zum Schluß bekommt die Essener Polizei von der Film-Crew den Polizei-Manta aus dem Film geschenkt. Bo ey. Und Tschüssssss. Christof Boy

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