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IMMEHRINGHOF-THEATER

GOLFKRIEGAUFPLATZ13  ■  »DEIN PLATZ AN DER SONNE« VON GEORG SCHRAMM

»Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei...« Jawoll, mein Schatz, es ist so weit: Im Mehringhoftheater ist das Schunkeln ausgebrochen. Möchte man jedenfalls meinen, wenn sich allabendlich die Lautsprecher unter Qualen anschicken, ein Kabarettprogramm der Sonderklasse mit dem wunderbaren Titel »Dein Platz an der Sonne« einzuleuten. Georg Schramm is back in town und er hat wieder seine aktuelle Sorgen-Hitparade mitgebracht: Der Krieg ist leider, leider nach dem Hattrick im Frühjahr auf den unbedeutenden Platz 13 abgerutscht und damit aus der Top Ten verbannt, die nun wieder von den Sorgen-Evergreens »Umwelt«, »Gesundheit« und »Wohnraum« beherrscht wird. Auch immer wieder gern sorgen sich die Deutschen um ihr Ländle und die Ausländerplage, unbedeutend dagegen der immer kleiner werdende Regenwald und der Benzinpreis...

Im himmelblauen Glitzer-Frack und mit dem freundlich-nichtssagenden Gesicht eines Roland Kaiser betritt der Verwandlungskünstler Schramm die Bühne und umwölkt sein Publikum mit einem einzigartigen TV-Sing-Sang á la Max Schautzer. Aber das Schmusibuh im Wattepack ist von perfidem Sarkasmus durchdrungen, der gelernte Diplom-Psychologe im Kabarett-Ruhestand hat es faustdick hinter den gepuderten Ohren. Ihm ist nichts heilig und erst recht nichts tabubewehrt. Da gibt es den aufrechten Gynäkologen, der, nachdem die Ärztekammer in rot-grüne Hände fiel, vor seiner weiblichen Klientel fliehen muß. Oder den 59-jährigen Lagerarbeiter im Hanauer Atomkraftwerk, dessen Lunge bald die »Brandenburgischen« pfeifen kann und der sich so herzzerreißend über die saubere Arbeit im Brennelementelager freut.

»Die Wälder sterben, mach doch mal die Zigarette aus«, lautet die Botschaft des geklonten Schnösels in Himmelblau, der so geschmeidig vor sich hin brabbelt und die Selbstmordklinik »Human Exit« auf den kanarischen Inseln als »Happy- end für Looser« empfiehlt. Betroffenheit ist eine Zier, die Georg Schramm auf der Bühne geschickt zu einem niedlichen Sorgen-Potpourri zusammenschnurren läßt und mit dem Auftritt des »Sorgenkinds des Monats« krönt. Matthias, das arme Schwein, ist natürlich aus den neuen Ländern und dazu total verbohrt, denn die »Leute von drüben« — na, Sie wissen ja!

Anders geht es da schon in der Warteschlange des »Body-Fun Düsseldorf« zu, dem einzigen Fitness-Gerätepark mit achtzehn »äscht voll starken Maschinen, eh!« Hier tobt der Life-Style und voll die Coolness — auch das Marke Georg Schramm. Überhaupt ist das schauspielerische Talent des Recken vom Bodensee gar nicht hoch genug zu loben. Anders als so mancher seiner Zunft, der sich vorzugsweise immer wieder selbst in Szene setzt, ist Schramm — im besten Sinne — das Chamäleon unter den Kabarettisten. Mit wenigen Requisiten und im Handumdrehen zaubert er die verschiedensten Typen auf die Bühne. Er, der stolz von sich behauptet, nie einen Schauspiel-Workshop besucht zu haben, sondern der seine Kenntnisse vorzugsweise aus dem TV-Studium von Millowitsch und Mainzer Karneval bezog, beherrscht — so scheint's — alles. Vom widerlichen Makler mit Militärtick bis zum renitenten Altenheimbewohner, von schmierig bis verschlagen, paradiert allabendlich die gesamte Skala menschlicher Charaktere, so daß man sich am Ende fragt: Und wer ist nun Georg Schramm?

»Dein Platz an der Sonne« — entsetzlich gut und schrecklich aktuell. Mit 17 Mark sind Sie dabei. Und mit ein bißchen Glück schon morgen das »Sorgenkind des Monats«! Klaudia Brunst

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