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Heiner Müller will nicht aufgeben

■ Für den Akademie-Präsidenten kommt eine Selbstauflösung nicht in Frage/ Er erwägt eine Verfassungsklage

Berlin. Auch der jetzt in Europa gehetzte langjährige Spionagechef der DDR, Markus Wolf, trat in der damaligen Akademie der Künste der DDR auf. Zum Beispiel bei der Verleihung des nach seinem Bruder und langjährigen Akademiepräsidenten Konrad Wolf benannten Preises.

Vielleicht waren es solche Auftritte, mehr aber noch die unseligen Beifallsbekundungen zur offiziellen SED-Kulturpolitik mit all ihren Unterdrückungsmechanismen gegen unliebsame Geister, die die Ostberliner Akademie als Institution in Verruf gebracht haben und die ihr jetzt »schlechte Karten« beim Pokern um eine von ihr gewünschte Fusion mit der Kunstakademie im Westteil der Stadt bescheren.

Dies auch unbeschadet vieler honoriger Mitglieder, von denen manche schon seit langem in Ost wie West Akademiemitglied sind wie Christa Wolf, Stephan Hermlin und Heiner Müller.

Gerade Müller ist es nun, der als letzter Akademiepräsident-Ost um ein möglichst langes Überleben der einstigen DDR-Akademie unter Berufung auf deren kulturhistorische Verdienste kämpft, wissend, daß es keine »Akademie der Künste der DDR« mehr geben kann, wenn es keine DDR mehr gibt, wie er es selbst gleich nach der deutschen Vereinigung ahnungsvoll aussprach.

Hätte Erich Honecker 1971 eben lieber den Titel »Deutsche Akademie der Künste« belassen sollen, deren erster Präsident nach dem Krieg 1950 Heinrich Mann werden sollte, der aber noch vorher in den USA starb, bevor er sein Amt überhaupt antreten konnte.

Aber natürlich geht es nicht um Titel, sondern um Menschen, um manche Ost-Mitglieder nämlich, mit denen die westlichen Akademie-Mitglieder partout nichts zu tun haben wollen, weil sie zuviel Schuld auf sich geladen haben.

Gegen die »empfindlichen Störungen des moralischen und geistigen Klimas in der Gesellschaft«, die die Akademie am 4. Oktober 1989 plötzlich konstatierte, hat die DDR-Akademie, von einigen persönlichen Vorstößen mancher Präsidenten abgesehen, herzlich wenig getan.

Viel eher war sie oft genug willfähriger Diener des Parteiapparates, wenn es galt, »Gutachten« über in Ungnade gefallene Künstler, Musiker, Autoren und Filmemacher zu erstellen. Kaum war das SED-Regime gestürzt, bat denn auch das Akademiepräsidium zum Beispiel den inzwischen verstorbenen Brecht-Forscher Hans Bunge öffentlich »um Entschuldigung für politische Verdächtigungen« und Verfolgungen. Die Liste ließe sich verlängern.

Die Koalitionspartner CDU und SPD hatten sich auf künftig nur noch eine Akademie der Künste — die westliche — verständigt, unter Berücksichtigung des Erhalts der überaus wertvollen Archivbestände mit rund 200 Nachlässen und Sammlungen unter anderem von Bertolt Brecht, Arnold Zweig, Heinrich Mann, Johannes R. Becher, Hans Fallada und Anna Seghers.

Kultursenator Ulrich Roloff-Momin (parteilos), der gar nicht allein zuständig ist, kann auf das deutliche Desinteresse der neuen Bundesländer am Erhalt der Akademie-Ost verweisen, die sie nämlich als ehemalige DDR-Einrichtung mitfinanzieren müßten. Abgesehen davon, daß auch das 1905 errichtete neobarocke Akademie-Gebäude am Robert-Koch- Platz gegenüber der Charité längst zum »Fall für veränderte Besitzansprüche« geworden ist.

Müller, als Dramatiker langjähriger »Kämpfer« auf DDR-Bühnen mit Niederlagen und Triumphen, will auch diesmal nicht klein beigeben. Für diesen Donnerstag berief er eine Plenartagung der Akademie ein und machte schon zuvor öffentlich klar, daß eine Selbstauflösung nicht in Frage komme. Von einer Verfassungsklage ist schon die Rede, falls die neuen Länder die Akademie per Staatsvertrag zum Jahresende wirklich auflösen sollten.

Viele Akademie-Mitglieder, wie Harry Kupfer, wünschten sich schon frühzeitig einen Zusammenschluß beider Akademien (mit dann allerdings rund 400 Mitgliedern), von dem Walter Jens als westlicher Präsident aber nichts mehr wissen will und sogar von »Tricks« der anderen Seite sprach.

Es gilt dennoch Argumente abzuwägen, die gegen eine vorschnelle Auflösung der ostdeutschen Kunstakademie sprechen und für eine »Übergangsphase« bis zum gemeinsamen 300. Geburtstag 1996 plädieren.

Schließlich verkörpert die ostdeutsche Akademie wie kaum eine andere Institution 40 Jahre DDR- Kulturgeschichte mit ihren guten wie auch schlechten Seiten, die sich vor allem in ihrer Zeitschrift 'Sinn und Form‘ widerspiegelten. Diese vier Jahrzehnte deutsche Kulturgeschichte lohnen es, sie in Ruhe aufzuarbeiten und moralische Belastungen loszuwerden.

Daß diese Arbeit die östlichen Mitglieder selbst tun sollten statt die »Akademie-Wessis«, leuchtet ein. Denn hat nicht die DDR Identität, wenn es sie denn gab, auch durch ihre Kunst erhalten? Wilfried Mommert/dpa

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