ÖTV-Tarifgespräche samt Protestaktionen

Bonn (ap/dpa/taz) — Am Dienstag hat im Bonner Bundesinnenministerium die zweite Runde der Tarifverhandlungen über die Anrechnung von Vordienstzeiten für die rund 1,4 Millionen Angehörigen des öffentlichen Dienstes in Ostdeutschland begonnen. Eine erste Runde war am 11.September in Nürnberg ergebnislos vertagt worden. Die Gewerkschaften ÖTV und DAG, die auf einen raschen Abbau von Ungleichbehandlungen dringen, fordern von den Arbeitgebern die volle Anerkennung von Beschäftigungs-, Tätigkeits-, Bewährungs- und Aufstiegszeiten vor dem 1. Juli 1991 als Voraussetzung für die Eingruppierung der Arbeitnehmer. Ein Ergebnis wurde bis Redaktionsschluß nicht bekannt. Von Gewerkschaftsseite war wiederholt darauf hingewiesen worden, daß die Probleme der Abwanderung qualifizierter Arbeitnehmer aus Ost- nach Westdeutschland mit der Anerkennung der Vordienstzeiten nicht zu lösen seien. Der Schlüssel liege vielmehr in dem Gehaltsgefälle. Die um 40 Prozent niedrigeren Bezüge im Osten müßten auf Westniveau angehoben werden. Dies wird nach Berechnung von Experten allein im öffentlichen Dienst rund 40 Milliarden Mark kosten.

Während in Bonn gestern mehrere hundert Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger aus Ostdeutschland für die „sofortige Anerkennung aller Vorbeschäftigungszeiten“ demonstrierten, weiteten sich in den neuen Bundesländern die seit Tagen schwelenden Protestaktionen von Mitgliedern der Deutschen Postgewerkschaft aus. Die begrenzten Aktionen wurden als Warnung an die in Bonn tagenden Arbeitgeber bezeichnet. Vor allem in Berlin, Brandenburg, Thüringen und Sachsen legten die Beschäftigten mehrerer Postämter in der Nacht zum Dienstag und am Morgen die Arbeit nieder.

Unterdessen forderte gestern auch die Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdED) die volle Anerkennung der DDR-Beschäftigungszeiten. Heute sollen in Frankfurt am Main Tarifverhandlungen zwischen der GdED und dem Vorstand der Reichsbahn aufgenommen werden. itz