: Amtlich praktizierter Antisemitismus
■ betr.: "Ein Jude kann nicht Deutscher sein", taz vom 30.8.91
Betr.: »Ein Jude kann nicht Deutscher sein«
taz vom 30.8.
Nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom August 1991 kann sich ein jüdisches Ehepaar nicht wie andere Deutsche auf die deutsche Sprache und Kultur berufen. Das ist gängige höchstrichterliche Rechtsprechung.
Jüdische und deutsche Kultur sind seit vielen Jahrhunderten nicht voneinander zu trennen. In vielen mittel- und osteuropäischen Gebieten, etwa Prag, Czernowitz, dem Baltikum, waren gerade Juden Träger und Verbreiter von deutscher Sprache und Kultur. Doch ebenso lange haben Verwaltung, Fiskus und Recht versucht, jüdische und nichtjüdische Deutsche zu trennen, indem sie Juden diskriminierten und drangsalierten. Christlich-Soziale und Deutsch-Nationale dekretierten, Juden seien keine Deutschen. Das wurde zum Nährboden für Nazismus und Massenmord.
Solange Teile von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit ohne ausreichende Berücksichtigung der Geschichte des Antisemitismus Juden mehr Belastungen unterwerfen, als andere Deutsche zu ertragen haben, solange lebt das Tausendjährige Reich bei uns im amtlich praktizierten Antisemitismus fort. Jüdische Gruppe Berlin
i.A. des Sprecherrats Alisa Fuss
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