Gemeinsames Fußbad

■ „La Amiga“, Jeanine Meerapfels Argentinien-Film

Buenos Aires, 1945: Kinder spielen auf einem Friedhof. Maria schützt Raquel vor dem Antisemitismus der anderen — Beginn einer langjährigen Freundschaft zwischen zwei Mädchen mit Zöpfen. Die Bilder sind lichtdurchflutet, der Himmel so blau. Kontraste blenden. La Amiga unter Regie der in Argentinien geborenen und in Deutschland lebenden Jeanine Meerapfel beginnt vielversprechend. Noch verwundert es, warum der bereits 1988 entstandene Film erst jetzt in die Kinos kommt.

1978: In Argentinien ist es trister geworden. Verwaschene Farben, das Militär diktiert. Die politischen Zusammenhänge bleiben mehr oder weniger im dunkeln. Die Bilder haben in der Tiefe an Schärfe verloren. Die Kamera konzentriert sich auf Füße und staubige Schuhe, in unübersehbarer Metaphorik. Die Freundinnen sind älter und durch andere Darstellerinnen ersetzt. Liv Ullmann spielt Maria, die scheue, blauäugige Ehefrau und Mutter, deren Sohn Carlos von einem Sonderkommando verschleppt wurde. Raquel (Cipe Lincovsky) ist Schauspielerin geworden. Obwohl sich Maria und Raquel aus den Augen verloren haben und eigentlich grundverschieden sind, gehen sie bald durch dick und dünn. Sie wollen Carlos finden.

1981: Maria hat sich inzwischen radikalisiert und fordert an der Spitze der „Mütter von der Plaza de Mayo“ Aufklärung über das Schicksal des verschleppten Sohnes. Manchmal begleitet argentinische Folklore im Hintergrund die Demonstration der Frauen. Der pathetische Überschuß ist beträchtlich. Nach einem Bombenattentat ist Raquel vor der antisemitischen Bedrohung in ihre Heimatstadt Berlin geflüchtet. Wie immer, wenn die Stadt graubraun eingefangen wird, sorgt die Hochbahn am Görlitzer Bahnhof für Lokalkolorit. Die Bilder sind nur noch, was sie abzubilden vorgeben — ohne Störungen oder Brüche.

1986: Alfonsin hat in Argentinien die Macht übernommen; auf der Leinwand ist es sichtbar heller geworden. Aber die politischen Zusammenhänge bleiben weiterhin im dunkeln. Raquel lebt wieder in Buenos Aires. Die Mütter von der Plaza de Mayo fordern noch immer Aufklärung über ihre verschwundenen Angehörigen. Raquel und Maria sind immer noch grundverschieden. Wieder haben sie sich zweitweise aus den Augen verloren. Aber im gemeinsamen Fußbad finden sie wieder zueinander. Michaela Lechner

Jeanine Meerapfel: La Amiga , mit Liv Ullmann, Cipe Lincovsky, Federico Luppi, BRD/Argentinien 1988, 108 Min.