: Bibelfester Punkrock rules ok
■ Die Bollock Brothers beim »Feast in the East« im Tacheles
Ober-Bollock Mr.McDonald beim Vorbereiten der Lieblingsbeschäftigung (Voto: Roland Owsnitzki)
Auch wenn Serge Gainsbourg schon tot ist und auch eine Harley Davidson kaum noch einen bärtigen Hells Angel, sondern eher einen — »das Beste im Mann« — Versicherungszahnarzt als Halter zu Gesicht kriegt. Schön war das doch: »Harley David Son of a Bitch«. Aber die Zeiten haben sich geändert — die alten Männer tragen Punkrock-Uniformen und singen von Gott und der Welt. B.B. läßt die Seehundbabys alleine. Was? Macht nix. Never mind... The Bollocks haben eine neue LP und zu der gibt es nur einen Gig in D-Land, und der ist am Samstag im Tacheles. Und noch was Einzigartiges: Mr. McDonald, der Sänger der Bollock Brothers, hat eine Tochter, und die singt auf der neuen Scheibe ziemlich sakral, und dann heißt das neue Werk auch noch »The Dead Sea Scrolls«. Für die nicht ganz Bibelfesten: Die Schriftrolle aus dem Toten Meer — mehr dazu bei eurem lokalen Wachturm-Dealer. Da könnt ihr auch was über die Vier Apokalyptischen Reiter erfahren (die letzte Bollock- Produktion) — und dann wißt ihr auch schon fast alles über die Bollock Brothers.
Die Bibel-LP ist übrigens in das Alte Testament (Seite 1) und das Neue Testament (Seite 2) aufgeteilt. Angefangen mit »Blood meets Flood«, oder wie der erste Mord begangen wurde und ein Song über Nimrod, den König, der Gott sein wollte, und wegen dem wir uns heute nicht mehr verständigen können (»Wohlan, wir wollen hinabsteigen und dort ihre Sprache verwirren, so daß keiner mehr die Sprache des anderen versteht«, Genesis).
»Into the Night« ist dann das Debüt von Maria, der neunjährigen Tochter, die ohne fiepsende Kinderstimme einfach ein wunderschönes Lied singt. Ihre eigene Idee übrigens, auf die Bühne und ins Studio zu gehen und zu singen. Aber der Auftritt im Tacheles muß wohl der einzige bleiben, denn kleine Mädchen haben Pflichten und müssen zur Schule gehen. Ein bißchen klingt die Stimme so, wie die der kleinen Springseil- Sternezählerin in der »Verschwörung der Frauen«.
»The Dead Sea Scrolls« bleibt aber nicht bei der Bibelnacherzählung, nein, der überzeugte Gläubige McDonald zieht permanent die Parallelen zu unserer Welt und das verbindet die Bollocks mit den Inchtabokatables, der anderen Band beim »Feast in the East«. Die nämlich verbinden das Mittelalter und die Pogues. Mittelalterliche Barden, deren Motto »Härte durch Intensität« ist. Das geht dann so: »... um seine Mitmusiker wie ein wildgewordener Derwisch, herumspringender Geiger, einer der dem Publikum sehr nahe kommt [= Intensität! d. AutIn], einer, der einem beim Singen, Tanzen und Spielen direkt in die Augen blickt.« (Soweit der Pressetext.)
Und zwischendurch die beiden Performance-Gruppen »AD« in Konfrontation mit »MARVA«. Das ist Performance mit Licht und Geräuschen und das Publikum wird dabei sehen müssen, wo es bleibt, wird reagieren müssen auf den »höllischen Wettstreit«, nur Zusehen wird nicht ausreichen.
Insgesamt werden 5.000 Lightbulbs, Laserinstallationen und Dia-Shows dem »Feast« den Rahmen geben. »Neasa«, die Gruppe, die diese Schattenkompositionen vornehmen wird, ist Tacheles-Fans sicher nicht unbekannt, denn das alles gab es schon im Juni dort zu sehen. Gut. Verabschieden wir uns mit den Bollock Brothers: »Remember, man, that Thou are dust and into dust Thou shalt return.« Ave
Das »Feast in the East« findet am 28.9. ab 18 Uhr im Tacheles, Oranienburger Straße, auf dem Freigelände hinterm Haus statt. Eintritt: 15 DM.
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