piwik no script img

Hauptstadt-Verkehr(t)

■ In Berlin gibt es leider keine Alternative zum Auto

Daß heute die Straßenblockaden, von der Bülowstraße bis zum Mehringdamm, von Potsdam bis zum Prenzlauer Berg, beginnen, ist eine gute Sache. Nur: Was ist in der neuen Haupt- und Weltstadt die Alternative zum Auto? [Jo, mei, des Radl! d. säzzer] Frankfurt am Main, zum Beispiel, hat gegenüber Berlin einen unbestreitbaren Vorteil: ein modernes, benutzerfreundliches U- und S-Bahn-Netz. In Berlin ist davon nichts zu erkennen. Daß die Bahnhöfe grau und muffig sind, mag als Lokalkolorit durchgehen, ebenso die exorbitante Unfreundlichkeit des BVG-Personals. Für die Besucherin von außerhalb ist es immer wieder urkomisch, das gebrüllte »Einstein — Zrrrückblei'm« und die harschen Zurechtweisungen über den bis zur Unverständlichkeit verzerrenden Lautsprecher dröhnen zu hören.

Aber dann wird es weniger lustig. Eine Frau oder ein Mann, beladen mit einem oder mehreren kleinen Kindern, Kinderwagen und Einkaufstüten, kann kaum die schwankenden und über die Lärmschutzgrenze hinaus kreischenden Züge benutzen, ohne minütlich in immer neue Wutanfälle zu verfallen. Nehmen wir die Haltestelle am Kottbusser Tor. Die Rolltreppen scheinen aus einem Vorkriegskaufhaus zu stammen, eng, steil und lebensgefährlich. Meist funktionieren sie erst gar nicht. Und dann: Treppen und noch einmal Treppen, die nicht etwa von oben herab auf der Höhe der Straßentrasse enden, sondern unter die Erde führen und auf der anderen Seite wieder hinauf. Wer also heute demonstrativ auf der Straße hockt, sollte das nur mit der einen Hinterbacke tun und mit der anderen ganz entschieden aussitzen, daß das öffentliche Verkehrsnetz nicht nur vorhanden ist, sondern auch benutzbar wird. Heide Platen(taz Frankfurt)

Siehe auch Interview auf Seite 22

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen