: DDR-Antifaschismus: Geschichte einer Fälschung
Berlin (ap/taz) — Verordneter Antifaschismus mit gefälschten KZ- Devotionalien: Eine Ausstellung dokumentiert, wie die DDR in ihren „Traditionskabinetten“ die Geschichte zurechtbog.
Wimpel des Arbeiterschützenverbandes, Uniformen des Rotfrontkämpferbundes und Bilder ermordeter deutscher Kommunisten — mit solchen Ausstellungsstücken versuchte die SED in ihren sogenannten antifaschistischen Traditionskabinetten die DDR in eine Linie mit dem Widerstand gegen die Nationalsozialisten zu stellen. Daß dabei die Geschichte zurechtgebogen und der Kampf gegen das Dritte Reich auf den kommunistischen Antifaschismus reduziert wurde, zeigt eine Ausstellung, die jetzt in Ost-Berlin zu sehen ist.
Im Jahr 1986 wurde das „Traditionskabinett Prenzlauer Berg“ von der SED-Führung eingerichtet. Eine solche Ausstellung antifaschistischer Devotionalien gab es in fast allen größeren Städten der DDR, nach der Wende wurden die meisten allerdings rasch aufgelöst. In der Museumswerkstatt Thälmannpark im Ostberliner Bezirk Prenzlauer Berg ist es einer Gruppe von Historikern aus Ost- und Westdeutschland gelungen, das Traditionskabinett zu erhalten.
Mit Kommentaren versehen, vermittelt es nun einen Einblick in die Instrumentalisierung des Widerstandes gegen die Nationalsozialisten durch die DDR-Führung. So werden in den Vitrinen zwar Uniformen und Mitgliedsbücher der „Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit“ präsentiert. Daß der Gründer und erste Vorsitzende der Organisiation, Willi Münzberger, gegen Ende der dreißiger Jahre wegen seiner Kritik an Stalin aus der KPD ausgeschlossen wurde, bleibt aber ebenso unerwähnt wie sein bis heute ungeklärter Tod im Jahr 1940.
Der Streik gegen die Berliner Verkehrsbetriebe, zu dem die rote Gewerkschaftsopposition aufgerufen hatte, wird mit den Worten kommentiert: „Der BVG-Streik war eine starke Waffe der Aktionseinheit. Er führte zum Sturz der reaktionären Papen-Regierung“. Verschwiegen wird, daß sich an dem Streik neben den Kommunisten auch die NSDAP beteiligte und daß Papens Nachfolger Adolf Hitler hieß. Schautafeln mit Kriegsbildern und Diagrammen zeigen den Vormarsch der Roten Armee, die vom polnischen Volk „liebevoll und dankbar“ begrüßt worden sei. Ein Wort zum Hitler-Stalin-Pakt und der Aufteilung Polens zwischen Deutschland und der Sowjetunion sucht man dagegen vergeblich.
Auch Hinweise auf den christlichen oder bürgerlichen Widerstand gegen das Nazi-Regime waren in den Traditionskabinetten nicht zu finden. In ihren Kommentaren zu den Ausstellungsstücken verweisen die Historiker darauf, daß die DDR-Regierung sich die Geschichte immer wieder für ihre Zwecke zurechtgebogen hat. Geradezu zynisch mutet der Begleittext zu einem Bild an, das deutsche Kommunisten im sowjetischen Exil zeigt: „In der Sowjetunion bekamen die Emigranten einen Einblick davon, was es heißt: Aufbau des Sozialismus.“ Viele Emigranten starben unter Stalin in der Lagerhaft oder wurden hingerichtet.
Wo geeignete Ausstellungsstücke fehlten, wurden sie nachgemacht. So kommt das Kinderspielzeug, das angeblich die Widerstandskämpferin Käthe Niederkirchner im KZ Ravensbrück gebastelt hat, tatsächlich vom „Volkskunstzirkel des Kulturhauses Thälmannpark“. Der vorgeblich echte Stacheldraht aus Auschwitz, der um ein Bild von jüdischen Häftlingen des KZs geschlungen ist, stammt von den DDR-Grenztruppen. Unter der Überschrift „Sie bleiben unvergessen“ zeigt die Ausstellung Bilder von sieben Kommunisten, die im KZ ermordet wurden. Die Namen der Opfer aber fehlen. Sie wurden bei der Zusammenstellung des Traditionskabinettes schlicht vergessen.
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