Der Schlächter von Lyon ist tot

■ Klaus Barbie starb im Bett/ Der frühere Gestapo-Chef von Lyon war 1987 wegen Massenmord, Folter und Deportation zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt worden

Berlin (taz) — Im Bett starb am Mittwoch abend der Schlächter von Lyon. Klaus Barbie war 77 Jahre alt und litt seit Monaten an Blutkrebs. Seine letzten Tage verbrachte der wegen Massenmord, Folter und Deportation zu lebenslanger Haft verurteilte ehemalige Gestapo-Chef von Lyon in einem französischen Gefängniskrankenhaus.

Der Mann „hatte das Glück eines natürlichen Todes. Das hat er seinen Opfern nicht gestattet“, kommentierte Beate Klarsfeld, die Barbie in den 70er Jahren in Bolivien aufgespürt hat.

Damals wähnte sich Barbie sicher unter seiner Identität als „Klaus Altmann“. Mehr als zwei Jahrzehnte lang hatte er als Geschäftsmann und Berater rechtsradikaler Militärs in Bolivien zugebracht. Dabei mußte sich der zweifach in Abwesenheit von französischen Gerichten zum Tode Verurteilte niemals verstecken. Im Gegenteil: er verkehrte ganz oben. In den 60er und 70er Jahren konnte er sogar mehrfach unbehelligt in die Bundesrepublik Deutschland und nach Frankreich reisen.

Ganz oben verlief die gesamte Karriere Barbies: Zielstrebig war der 1913 in Bad Godesberg geborene Sohn einer katholischen Lehrerfamilie 1933 der Hitlerjugend beigetreten, 1935 leistete er den Treueschwur vor Adolf Hitler und trat in die SS ein.

Seine erste Auslandsstelle war Amsterdam. Dort war Barbie an der Deportation von 300 Juden in das KZ Mauthausen beteiligt. Am Höhepunkt seiner Karrie war Barbie im Alter von 30 Jahren angelangt: er wurde Gestapo-Chef von Lyon.

Im besetzten Frankreich entwickelte Barbie eine Brutalität, die ihm den Titel „Schlächter von Lyon“ verschaffte. Persönlich war er an Folterungen, Morden und Deportationen von Juden und Résistance-Kämpfern beteiligt. In den Folterpausen ging er manchmal in den Nebenraum, um Chopin zu spielen, berichten Überlebende. Wie viele Menschen ihm zum Opfer fielen ist bis heute nicht klar. Französische Militärgerichte wiesen nach dem Krieg seine persönliche Beteiligung an 4.342 Morden und seine Mitwirkung an Deportationen von 7.591 Menschen nach.

Kaum war der Krieg zu Ende, schwamm Barbie wieder oben. Mindestens vier Jahre lang arbeitete der gesuchte Kriegsverbrecher für den US-Geheimdienst CIC in Deutschland. Auch für den bundesdeutschen Geheimdienst soll er tätig gewesen sein. Erst als der Druck der französischen Regierung zu stark wurde, verschafften seine neuen Arbeitgeber Barbie über die auch von anderen ehemaligen SS-Leuten genutzte „Rattenlinie“ eine sichere Ausreise nach Lateinamerika.

Oben war Barbie auch noch 1983, als Bolivien ihn der französischen Justiz auslieferte. Er drohte mit der Enthüllung der ganzen Wahrheit über französische Kollaborateure und Denunzianten. Doch dazu kam es nicht: Dem achtwöchigen Prozeß blieb Barbie schon nach drei Tagen fern. Mit ungerührtem Lächeln hörte er sich im Mai 1987 seine Verurteilung wegen 17 Verbrechen gegen die Menschlichkeit an.

Jetzt will sich der Massenmörder posthum rächen: Barbies Anwalt Vergès kündigte gestern in Paris an, das Testament seines Mandanten werde auch die Umstände des Todes von Jean Moulin erhellen. Der Résistance-Führer war 1943 bei einem geheimen Treffen verhaftet worden. Bis heute ist ungeklärt, ob er an Barbies Folterungen starb oder sich selbst das Leben nahm, aus Verzweiflung über den Verrat seiner Genossen. dora