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Anwohner sperren Stadt flächendeckend

■ Blockaden für Tempo 30/ Polizei räumte Kreuzungen/ 15 Festnahmen

Berlin. Fußgänger und Radfahrer, die von Automief, verstopften Straßen und Verkehrstoten die Schnauze gestrichen voll haben, griffen gestern zur Selbsthilfe. Mehrere hundert Anwohner und Verkehrsinitiativen protestierten gestern auf einem Dutzend Kreuzungen und Straßen gegen die Verkehrspolitik der CDU/ SPD-Koalition. Sie forderten die großflächige Einführung von Tempo 30, Verengungen von Hauptverkehrsstraßen, mehr Busspuren und die Verdrängung des Lastkraftverkehrs aus den Innenstädten.

Am massivsten wurde die Kreuzung Bülow-/ Potsdamer Straße blockiert. Im vergangenen Jahr gab es dort 135 »Crashs«. Nach einer 50-minütigen Blockade schritt gegen 17.55 Uhr die Polizei gegen etwa 250 Anwohner ein, drängte Erwachsene und Kinder von der Straße. 13 Leute wurden Festgenommen. Ihnen wird Nötigung und Widerstand gegen die Staatsgewalt vorgeworfen. Unter den Demonstranten war auch Schönebergs Baustadtrat Uwe Saager (SPD). Er begrüßte die Aktion, weil sie auf die »schlimme Situation mit den hohen Unfallzahlen« aufmerksam mache. Er will sich dafür einsetzen, daß auch Hauptverkehrsstraßen verkehrsberuhigt werden, »denn auch hier wohnen Leute und wird eingekauft« — seine Rede mußte er aufgrund der polizeilichen Räumung abbrechen. Die zehnjährige Anne- Christine, die an der Bülowstraße wohnt, trug wie andere Kinder ein selbstgemaltes Plakat vor dem Bauch. Auf ihrem Bild hatte sie Laster und Autos durchgestrichen, in die Wolken und die Sonne traurige Gesichter gemalt. Die BI-Nelly- Sachs-Park, BI Westtangente und AL-Schöneberg fordern zusammen mit Saager, die Nordkurve für den Autoverkehr zu schliessen und dort eine Bus- und Radspur einzurichten.

Die Demonstrationen, zu denen der Arbeitskreis Verkehr und Umwelt unter dem Motto »Überall ist Stresemannstraße« aufgerufen hatte, begannen im Bezirk Prenzlauer Berg. Trotz Verbots der Polizei blockierten am Morgen etwa 400 Schüler, Eltern und Lehrer die Kreuzung Duncker-/ Stargarder Straße. Kinder forderten auf Plakaten: »Ich will sicher in die Schule.« Die Polizei leitete den Verkehr weiträumig um. Im selben Bezirk wurden nachmittags sechs Kreuzungen blockiert.

Etwa 150 Erwachsene und 30 Kinder blockierten dann kurz nach 15 Uhr die Kreuzung Mehringdamm/ Yorckstraße. Zusammen mit der Alternativen Liste Schöneberg, der BI Blechlawine und dem BUND forderten sie auf Transparenten »Lebens- statt Stauraum« und befürchteten für »Berlin 2000 drei Millionen Autos«. Zwanzig Minuten war der Verkehr lahmgelegt. Dann mußte die Versammlung der Polizei weichen, die zwei Leute festnahm.

Am Tempelhofer Damm/ Alt Tempelhof kam es zu einer kurzen Demonstration, die am Rathaus endete. Der ADFC hatte dazu aufgerufen, weil an der Kreuzung am Monatsanfang ein siebenjähriger Junge von einem abbiegenden Lastwagen überfahren worden war. Auch auf der Kreuzung Schloß-/ Rheinstraße in Steglitz und am Interhotel in Potsdam kam es zu kurzen Protesten. Für weitere Straßenkreuzungen waren Blockaden in den frühen Abendstunden angekündigt. diak/mat/sl/ana

Siehe auch Bericht auf Seite 5

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