: 10 Jahre 'WOZ‘: Enthüllungen gehören zum Markenzeichen
Die Zürcher 'Wochenzeitung‘ hat sich aus der linken Nische heraus den Markt erobert/ Redaktionskollektiv in Selbstverwaltung ■ Von Miklos Gimes
Die Schweizer Presse hat eine bewegte Woche hinter sich. Der Chefredakteur des auflagestarken liberalen 'Tagesanzeiger‘ wurde entlassen, man munkelte von Druck der Autolobby gegen den angeblich grünen Kurs der Zeitung. In der Westschweiz erschien die erste Nummer des 'Nouveau Quotidien‘, eine Gründung zweier großer einheimischer Verlage und der Pariser 'Libération‘. Und in Zürich feierte die 'Wochenzeitung‘ ihr zehnjähriges Bestehen. Zehn Jahre 'WOZ‘!
In einer Fernsehsendung zu den Ereignissen beim 'Tagesanzeiger‘ meinte ein Züricher Professor zum Thema Monopolisierung der Presse: „Schauen sie sich die 'WOZ‘ an. Systematisch hat sie sich aus der linken Nische heraus einen Markt erobert. Sie ist aus der Presselandschaft nicht mehr wegzudenken.“ In der Runde von Verlegern und Chefredakteuren widersprach niemand.
Die politische und intellektuelle Bedeutung der 32 Seiten starken Zeitung mißt sich nicht nur an einer Auflage von 17.000 verkauften Exemplaren. Enthüllungen gehören langsam zu ihrem Markenzeichen. Wie die 'WOZ‘ schreibt: Die anderen Medien haben es zur Kenntnis nehmen müssen. Es blieb ihnen keine andere Wahl. Dazu ist die Liste der Enthüllungen viel zu lang. 1984 schrieb Niklas Meienberg zum ersten Mal über den luschen Ehemann der Bundesrätin Elisabeth Kopp. Vier Jahre später mußte die Ministerin zurücktreten. Die 'WOZ‘ hatte die Berner Parteispendenaffäre aufgedeckt, die einem Regierungsrat den Kopf kostete, sie hat Agents Provocateurs der Zürcher Stadtpolizei entlarvt und die haarsträubenden Hintergründe des Selbstmordes einer jungen linken Aktivistin im Winterthurer Gefängnis.
Hervorgegangen ist die 'WOZ‘ aus studentischen Kreisen während der bewegten 80er Jahre in Zürich. Die Gründung betrieb eine Gruppe von 68ern und einer Generation jüngerer Nachgeborenen. Nach dem Rückgang der „Bewegung“ wurde die Zeitung lange von der Basis vereinnahmt, Knastgruppen und Kommitees gegen Isolationshaft hatten viel Platz. Daß heute die Zeitung „professioneller“ ist, scheint dem außenstehenden Beobachter eher das Resultat von journalistischen Lernprozessen als von internen Putschen und politischen Kurskorrekturen.
Damit ist auch gesagt, daß sich die 'WOZ‘ kontinuierlich entwickelt hat, viele der MacherInnen der ersten Stunde sind noch dabei. Sie sind Besitzer ihres selbstverwalteten Kollektivs, das 3 Millionen Franken Umsatz macht. Die 'WOZ‘ hat 11.500 Abonnenten. Die 39 festangestellten MacherInnen verdienen ca. 3.000 Franken, die Hälfte eines Schweizer Redakteurslohns.
Geleitet wird die 'WOZ‘ von einer 7köpfigen Geschäftsleitung. Aber immer noch genügen drei Leute, um ein Plenum einzuberufen. In der selbstbewußten Jubiläumsnummer heißt es: 10 Jahre 'WOZ‘ — Die Schweiz hätte es nicht besser verdient.
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