: PR-Blitzkrieg in Sachen Abrüstung Von Mathias Bröckers
Wie man mit der Verschrottung von ein paar alten Atom-Granaten zum Welt-Friedensengel aufsteigen kann, zeigt die „Abrüstungsinitiative“ von Präsident Bush. Von den 291 Milliarden Dollar des US-Rüstungshaushalts werden nicht einmal 0,2 Prozent eingespart, „moderne Atomstreitkräfte“ sind für Bush nach wie vor unverzichtbar, auch in Europa, SDI wird weiterbetrieben, der umstrittene Super-Bomber „B2“ (Stückpreis 1,5 Milliarden DM) gebaut — doch unsere Kameraden in Bonn sind völlig von den Socken: Engholm lobt die „politische Weitsicht“, bei Kohl wedelte wieder mal der Weltgeist („Entscheidung von historischem Ausmaß“), und für Genscher sind ganz und gar „alle Hoffnungen erfüllt“. Selbst der oliv- grüne Vordenker Udo Knapp sieht (in der taz von gestern) einen „souveränen Bush“. Wie das?
„Wenn einem so viel Friedensliebe widerfährt, das ist schon einen Asbach-Uralt-Vorschlag wert“, wird sich George Bush bei seinem Blitz-PR-Krieg in Sachen Abrüstung gedacht haben, von dem die Alliierten natürlich nicht informiert waren — sonst wäre der Glorienschein weniger strahlend ausgefallen. Und der eine oder andere nicht ganz vom Alzheimerismus befallene Politiker hätte bemerkt, daß es sich bei dieser „Sensation“ um eine schon vor 20 Jahren vom US-Senat geforderte Initiative handelt. Die seitdem, namentlich von Reagan und Bush, blockiert und mit Milliardenbeträgen für die stetige Modernisierung des Atom-Arsenals gekontert wurde. Hätte Bush schon vor zwei Jahren den alten Hasen aus dem Hut gezaubert, als Gorbatschow noch Etwas zu sagen hatte und dringend radikale Abrüstungsschritte forderte — die Sache hätte unterschriftsreifen Sinn gemacht. Heute ist es nichts anderes als eine Reaktion auf die neuen Unwägbarkeiten in der Sowjetunion, und ehe da bei ein paar Generälen im Chaos die Atom-Sicherung durchknallt, plädiert man schnell für eine Entschärfung des Pulverfaßes: Den US-Strategen geht, im Militär-Jargon zu sprechen, „der Arsch auf Grundeis“, mit dem straff organisierten „Reich des Bösen“ und einer allmächtigen KP im Kreml konnte man besser leben als mit der unkalkulierbaren Umbruchsituation. Nicht das Prinzip Friedensliebe, das Prinzip Eigennutz diktiert die Bush-Initiative — die „Glaubwürdigkeit der Abschreckung“, sprich: eine hyper- moderne Atom-Streitmacht mit vielfacher Overkill-Kapazität, wird von der Verschrottungsaktion keineswegs berührt. Eine Aktion, von der im übrigen niemand weiß, ob sie überhaupt durchführbar ist. „Das Zeug ist rund um den Erdball verstreut“, erklärte ein Pentagon-Sprecher, „und wir müssen es zum Vernichten oder Einlagern erst einmal nach Hause holen. Wie wir diese Nuklear-Sammelaktion organisieren müssen, und in welcher Zeit sie zu schaffen ist, weiß derzeit kein Mensch.“ Muß man Bush nicht trotzdem dankbar sein? Ein bißchen vielleicht schon, ansonsten aber gilt: Wer beim Abrüsten zu spät kommt, den strafen wir mit Verachtung.
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